Nicht tot genug 14
hatte sich schon damit abgefunden, allein zu bleiben. Und dann begegnete sie diesem Mann und verliebte sich Hals über Kopf in ihn. Innerhalb weniger Wochen wurde sie ein völlig anderer Mensch.«
»In welcher Hinsicht?«
»Eine Generalüberholung. Haare, Kleidung, alles. Sie war unheimlich glücklich mit ihm.«
»Und dann findet man sie ermordet auf.« »Ja.«
»Was wusstet ihr hier in der Abteilung über diesen Mann?«
»Nicht viel. Janet war sehr verschlossen. Ich kannte sie ziemlich lange, wusste aber eigentlich nicht viel über sie. Es hat auch sehr lange gedauert, bis sie mir überhaupt verraten hat, dass sie einen Freund hatte. Viel hat sie mir nicht über ihn erzählt, obwohl sie durchblicken ließ, dass er ziemlich reich sei. Ein großes Haus in Brighton und eine Wohnung in London. Der Haken war nur, dass er verheiratet war. Aber er wollte seine Frau verlassen.«
»Wegen Janet?«
»Das hat er ihr jedenfalls erzählt.«
»Und sie hat es ihm geglaubt?«
»Sieht ganz so aus.«
»Hast du irgendeine Ahnung, was er beruflich macht?«
»Etwas mit Software. Nennt sich Rostering. Anscheinend besaß er eine sehr erfolgreiche Firma. Er wollte eine Niederlassung in Australien eröffnen und dort ein neues Leben anfangen. Mit Janet.«
Rostering. Grace überlegte. In dieser Branche war auch Bishop tätig. »Hat sie dir jemals gesagt, wie er hieß?« »Nein, das wollte sie mir nicht verraten, weil er verheiratet war und sie geschworen hatte, ihre Affäre geheim zu halten.«
»Janet war wohl kaum der Typ, der jemanden erpresst. Sie selbst hatte wohl nicht viel Geld, oder?»
»Nein, sie kam immer auf einer alten Vespa zur Arbeit.«
»Nehmen wir mal an, er hat sie getötet. Was könnte sein Motiv gewesen sein?«
»Oder man hat sie beide getötet, bisher aber nur ihre Leiche gefunden.«
»Auch das ist denkbar. Jemand ist hinter ihm her, und sie kommt ihm einfach nur in die Quere. Wäre nicht das erste Mal. Hast du schon etwas vom Ermittlungsteam gehört?«
»Bislang gibt es keine großen Fortschritte. Nur eine interessante Kleinigkeit.«
»Und die wäre?«
»Ich habe eben Ray Packham von der High Tech Crime Unit getroffen.«
»Den kenne ich. Cleverer Bursche.«
»Er hat in Janets Bürocomputer mit Hilfe einer Spezialsoftware den elektronischen Terminkalender wieder hergestellt. Sie hatte ihn gelöscht, bevor sie wegging. Und darin haben wir einen Namen gefunden, den keiner von uns kannte. Letztes Jahr im Dezember hatte sie geschrieben: Drink, Brian.«
»Brian?«
»Ja.«
Grace überlief ein Schauer. Brian. Rostering. Großes Haus in Brighton. Wohnung in London. Ermordete Frau.
Sein Gehirn lief plötzlich auf Hochtouren, die Müdigkeit war wie weggeblasen. War er deshalb mitten in der Nacht aufgewacht und hatte an Janet McWhirter denken müssen? Hatte sein Unterbewusstsein da schon eine Verbindung hergestellt?
»Mir scheint, du hast irgendeine Ahnung, Roy.«
»Mag sein. Wer leitet in Janets Fall die Ermittlungen?«
»DI Winter, Soko-Zentrale 2.«
Grace bedankte sich und begab sich sofort in die Soko-Zentrale 2, wo er den Ermittlern kurz die mögliche Verbindung zu seinen eigenen Fällen darlegte.
Dann kehrte er in die Soko-Zentrale 1 zurück und stieß im Flur beinahe mit Glenn Branson zusammen. »Wir haben ihn!« Branson hielt triumphierend einen Zettel in die Höhe. »Mit Namen und Adresse.«
Grace folgte ihm in den Raum.
»Er heißt Norman Jecks.«
Auf dem zerknitterten Zettel stand 262B, Sackville Road, Hove.
Grace schaute Branson an. »Das ist aber nicht Bishops Anschrift.«
»Das nicht, aber das ist der Mann, der sich am Sonntagmorgen in der Notaufnahme eingetragen hat. Brian Bishop in Verkleidung. Vielleicht führt er ein Doppelleben.«
Grace überkam ein ungutes Gefühl, als habe sich eine dunkle Wolke vor die Sonne geschoben. Verfügte Brian Bishop etwa noch über einen dritten Wohnsitz? Einen geheimen Unterschlupf? Führte er ein Doppelleben? »Gibt es die Adresse wirklich?«
»Bella hat das Wählerverzeichnis überprüft. Dort wohnt tatsächlich ein Norman Jecks.«
Grace sah auf die Uhr. Zehn nach sechs. Adrenalin schoss durch seinen Körper. »Vergiss die Besprechung. Finde heraus, welcher Richter Dienst hat, und besorg dir einen Durchsuchungsbefehl. Dann setzt du dich mit der lokalen Einsatzgruppe in Verbindung. Wir werden diesem Norman Jecks einen Besuch abstatten. So schnell wie möglich.«
Er eilte zurück zu Lorna Baxter, die schon auf dem Weg zur Tür war.
»Hast du noch
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