Nicht tot genug 14
dieser Strohhalm allzu dünn.
Vor seinem Gesicht baumelte eine rosa Swatch mit weißen Zahlen und weißem Armband. »Meine neunjährige Tochter hat auch so eine bekommen. Sie war außer sich vor Freude, total begeistert«, meinte der Verkäufer hilfsbereit.
Grace konzentrierte sich wieder auf seinen Einkauf. Seine Schwester hatte vorgeschlagen, er solle seiner Patentochter eine Armbanduhr kaufen, doch auf der Glastheke vor ihm lagen jetzt zehn verschiedene Modelle, und er hatte leider keine Ahnung, was eine Neunjährige heutzutage cool fand. Er erinnerte sich mit Grauen an die furchtbaren Geschenke, die er von seinen wohlmeinenden Paten bekommen hatte: Socken, einen Bademantel, einen Pullover und die hölzerne Nachbildung eines Lieferwagens von Harrods, bei dem sich nicht einmal die Räder drehten.
Die rosa Uhr war eindeutig am hübschesten. »Ich kenne mich mit Uhren überhaupt nicht aus. Sie meinen also, dass ein neunjähriges Mädchen diese hier cool finden würde?«
»Die ist der absolute Hit, Mann«, sagte der Verkäufer, ein freundlicher Farbiger aus der Karibik. »Die haben jetzt alle. Haben Sie mal die Sendung samstags morgens auf Channel Four gesehen?« Grace schüttelte den Kopf.
»Letzte Woche hatte ein Kind genau diese Uhr an. Meine Tochter ist völlig ausgeflippt!« »Wie viel kostet sie?«
»Dreißig Pfund. Mit einer schönen Dose dazu.«
Grace nickte und holte seine Brieftasche heraus. Ein Problem hatte er damit gelöst. Leider nicht das größte.
*
Bei der Besprechung um halb sieben sah er sich mit größeren Problemen konfrontiert, wobei die unerträgliche Hitze im Raum noch seine geringste Sorge war. Alle zweiundzwanzig Teammitglieder hatten die Jacken ausgezogen, und die meisten trugen wie Grace Hemden mit kurzen Ärmeln. Die Tür stand offen, weil sie sich einbildeten, dass vom Flur kühlere Luft hereinkäme, und zwei Ventilatoren erzeugten nichts als Lärm. Alle schwitzten. Von fern war leiser Donner zu hören.
»Na bitte, da haben wir doch den traditionellen englischen Sommer«, sagte Norman Potting, unter dessen Achselhöhlen riesige Schweißflecken zu sehen waren. »Zwei schöne Tage, dann kommt schon das Gewitter.«
Einige lächelten, doch Grace hörte nur mit einem Ohr hin. Cleo hatte immer noch nicht zurückgerufen. Er hatte für den nächsten Morgen um sieben Uhr einen Flug nach München gebucht und würde die Maschine abends um 21.15 Uhr zurück nehmen. Obwohl er seit vier Jahren keinen Kontakt zu Marcel Kullen gehabt hatte, hatte dieser ihn innerhalb von einer Stunde zurückgerufen und darauf bestanden, ihn persönlich am Flughafen abzuholen. Dann hatte Grace das Essen bei seiner Schwester abgesagt, die sehr enttäuscht gewirkt hatte.
»Samstag, 5. August, 18.30 Uhr. Dies ist die vierte Besprechung der Operation Chamäleon. Wir ermitteln im Mordfall Mrs. Katherine Margaret Bishop – genannt Katie – am Tag zwei nach Auffinden der Leiche um 8.30 Uhr gestern Morgen. Ich fasse zunächst die neuesten Erkenntnisse zusammen.«
Er machte es kurz, überging einige Details und endete mit der Feststellung, dass Informationen über das entscheidende Beweisstück, die Gasmaske, an einen Reporter vom Argus durchgesickert waren. Er schaute seine Kollegen eindringlich an. »Weiß jemand, wie er an diese Information gelangt ist?«
Alle blickten ihn ausdruckslos an.
Grace, gereizt von der Hitze und seinen persönlichen Problemen, schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das ist jetzt das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit.« Er warf einen Blick zu Inspector Kim Murphy, die zustimmend nickte. »Ich sage damit nicht, dass es jemand hier in diesem Raum gewesen ist, aber ich werde verdammt noch mal herausfinden, wer dafür verantwortlich ist, und ich verlange, dass Sie alle die Ohren offen halten. Verstanden?«
Allgemeines Nicken. Die kurze Stille wurde von einem Blitz unterbrochen, und die Lampen im Raum flackerten auf. Das Donnergrollen folgte sofort darauf.
»Nur zu Ihrer Information – ich werde bei den Besprechungen morgen nicht anwesend sein. DI Murphy vertritt mich solange.«
Murphy nickte wieder.
»Ich bin aber über Handy und BlackBerry erreichbar. Und jetzt zu Ihren Berichten.« Er warf einen Blick auf seine Notizen, obwohl er die Einzelheiten ziemlich genau im Kopf hatte. »Norman?«
Potting meldete sich mit seiner tiefen, knurrenden Stimme zu Wort. »Roy, ich hätte da etwas, das wichtig sein könnte.«
Grace bedeutete ihm, fortzufahren.
Potting war als Pedant bekannt, und
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