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Nicht tot genug 14

Titel: Nicht tot genug 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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»Scheiße«, sagte sie und goss sich den Rest ein. Er bedeckte kaum den Boden des Glases.
    Sie hatte an diesem Wochenende Rufdienst, sodass sie nicht viel trinken durfte, da man sie jederzeit ins Leichenschauhaus beordern konnte. Im Augenblick aber hatte sie das dringende Bedürfnis, Alkohol zu trinken. Der Tag war wirklich beschissen gewesen. Nach ihrem Streit mit Roy und einer völlig schlaflosen Nacht hatte man sie um zehn Uhr gerufen, um die Leiche eines sechsjährigen Mädchens in Empfang zu nehmen, das bei einem Autounfall gestorben war.
    Sie arbeitete seit acht Jahren in diesem Beruf und hatte sich an vieles gewöhnt, nicht aber an Kinderleichen. Die gingen ihr jedes Mal aufs Neue an die Nieren. Menschen schienen um Kinder völlig anders zu trauern als um geliebte Erwachsene; es schien vollkommen unverständlich, dass ein Kind einfach aus dem Leben gerissen wurde. Sie konnte die Autopsien kaum ertragen, und ähnlich schlimm war es, wenn der Bestatter den kleinen Sarg brachte. Am Montag würde man an dem kleinen Mädchen die Autopsie vornehmen – mieser konnte eine Woche kaum anfangen.
    Am Nachmittag hatte sie aus einer verschmutzten Wohnung in einem heruntergekommenen Reihenhaus die Leiche einer älteren Frau abholen müssen, die nach Ansicht ihres Kollegen Walter Hordern, der den Zustand der Toten und den Befall mit Fliegen und Larven untersucht hatte, seit mindestens einem Monat dort gelegen hatte.
    Walter war mit ihr ins Leichenschauhaus gefahren. Er war ein höflicher, gut gekleideter Mann Mitte vierzig, der eher wie ein Geschäftsmann aus der City aussah. Offiziell war er für die Friedhöfe von Brighton and Hove verantwortlich, verbrachte aber einen beträchtlichen Teil seiner Zeit damit, Leichen abzuholen und den aufwändigen Papierkrieg zu erledigen.
    Walter und Darren wetteiferten seit Neuestem darum, wer den Zeitpunkt des Todes genauer bestimmen konnte. Es war eine ungenaue Wissenschaft, die von den jeweiligen Wetterbedingungen und diversen anderen Faktoren abhing. Je älter die Leiche, desto schwerer ließ sich der Zeitpunkt bestimmen. Die Zahl der Lebenszyklen bestimmter Insekten lieferte ebenso unerfreuliche wie ungenaue Anhaltspunkte. Walter hatte richtig dafür gebüffelt und umfassend im Internet recherchiert.
    Außerdem hatte vor wenigen Stunden ihre Schwester Charlie angerufen, an der sie sehr hing, und unter Tränen berichtet, dass ihr Freund, mit dem sie über ein halbes Jahr zusammen gewesen war, sie sitzen gelassen hatte. Charlie war siebenundzwanzig, hübsch und temperamentvoll und verliebte sich immer in die falschen Männer.
    Genau wie ich, dachte Cleo traurig. Sie war im Oktober dreißig geworden. Ihre beste Freundin Millie – die sie während ihrer rebellischen Teenagerzeit im Internat Roedean nur Mad Millie genannt hatten – hatte einen ehemaligen Marineoffizier geheiratet und erwartete ihr zweites Kind. Ihre Tochter Jessica war eines von Cleos drei Patenkindern. Allmählich kam es ihr vor, als wäre es ihr Schicksal, immer nur die Patentante zu sein. Die Patentante mit dem komischen Beruf, deren Beziehungen nicht funktionierten.
    Da war zum Beispiel Richard, der Anwalt, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte, als er im Rahmen einer Mordermittlung das Leichenschauhaus aufsuchte. Erst zwei Jahre später, als sie schon miteinander verlobt waren, überraschte er sie mit der Enthüllung, er habe Gott gefunden.
    Zuerst hatte Cleo geglaubt, sie könne damit leben. Doch nachdem sie mehrere Erweckungsgottesdienste mit ihm besucht hatte, bei denen Menschen vom Heiligen Geist durchdrungen zu Boden stürzten, war ihr klar geworden, dass sie ein großes Problem damit hatte. Sie hatte zu viele Menschen gesehen, deren Tod durch nichts zu rechtfertigen war. Zu viele tote Kinder. Zu viele Leichen junger, liebenswerter Menschen, die bei Unfällen zerschmettert worden oder verbrannt waren. Die an einer Überdosis oder verunreinigten Drogen gestorben waren.
    Sie schaute regelmäßig die Nachrichten. Sah Berichte über junge Frauen in afrikanischen Ländern, die Massenvergewaltigungen zum Opfer gefallen waren, denen man Messer oder geladene Waffen in die Vagina gesteckt hatte. Tut mir leid, hatte sie zu Richard gesagt, aber mit deinem lieben Gott, der diese ganze Scheiße zulässt, kann ich nichts anfangen.
    Worauf er ihre Hand ergriffen und sie aufgefordert hatte, mit ihm zu beten, auf dass sie Gottes Willen erkennen möge.
    Als das nicht funktionierte und sie sich von Richard trennte,

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