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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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Hund auch stirbt. Ich muss verhindern, dass er mitfährt. Irgendwie.
    »Er … Er sabbert doch nur die schönen Sitze voll.«
    »Ja und? Hat er doch schon immer getan. Die sind frisch imprägniert, die können das ab.«
    War ein blödes Argument, ich weiß. Außerdem sitzt der Hund wie immer, wenn Tom ihn mitfahren lässt, auf einer Decke, die das edle Leder schützt. Tom startet den Motor.
    »Tom!«, brülle ich gegen den Motorlärm an, »ihr könnt nicht fahren!« Ein letztes Mal schaue ich das liebe Tier an.
    »Was?«
    Wieder mal klingt er genervt, wahrscheinlich denkt er, dass ich nur sinnlos rumzicke. Er hat den Gang bereits eingelegt, im nächsten Moment schon kann er Gas geben und durchstarten. Ich brauche ganz schnell einen triftigen Grund, weshalb MacLeod nicht mitfahren kann, sonst sehe ich ihn nie wieder.
    Und dann fällt mir auf: Er sabbert nicht! Ja, sein Maul ist so trocken wie Katzenstreu. Normalerweise hingen ihm die Speichelfäden schon längst zwischen den Pfoten, und die Decke auf der er sitzt, würde sich nach und nach vollsaugen. Ganz klar: Mit MacLeod stimmt was nicht.
    »Schau, er sabbert gar nicht.«
    »Stimmt! Er sabbert nicht. Wieso sabbert er nicht? Komisch.« Verblüfft schaut Tom den Hund an, er greift MacLeods Schnauze, um nachzusehen, was mit ihm los ist, kann aber nichts entdecken.
    »Wahrscheinlich ist er krank, erkältet. Und dann der Fahrtwind. Lass ihn lieber hier.«
    »Hast recht.«
    Tom öffnet die Beifahrertür und lässt MacLeod vom Sitz springen. Puh.
    Der Motor brabbelt laut, Tom gibt Gas, lässt die Kupplung kommen und schießt in einem schneidigen Bogen auf die Straße. Ich knie mich vor MacLeod, um ihn besser untersuchen zu können. Was hat er? Etwas Ernstes? Vielleicht sollte ich vorsichtshalber einen Termin bei der Tierärztin vereinbaren, immerhin hatte er mal –
    Das Krachen ist in der ganzen Siedlung zu hören.
    Zwei Minuten später jaulen unterhalb von Hellersheim die Sirenen der ersten Einsatzfahrzeuge auf. Ich stehe immer noch vor dem Haus und schaue Richtung Tal, hinter den Häusern gegenüber steigen Rauchwolken auf.
    Frau Niemeyer kämpft sich die Straße herauf, schwerfällig, fast humpelnd, in ihren Uralt-Turnschuhen ohne Socken läuft sie auf mich zu und ruft nach mir. »Ihr Mann! Kommen Sie schnell! Ein Unfall!« Ihr Gesicht ist vor Anstrengung verzerrt und vor Entsetzen. Ich gehe ihr entgegen, gemeinsam laufen wir die Straße hinab zu der großen Kreuzung an der Zubringerstraße. Was habe ich Schreckliches angerichtet? Frau Niemeyer stammelt immer wieder die gleichen Worte: »Entsetzlich, grausam, fürchterlich. Grausam …«
    Uns erwartet ein Inferno. Der MG muss ungebremst bei Rot über die Kreuzung gerast sein, so weit lief alles wie geplant. Doch kam von rechts ein Tanklaster, einer in der Größe, wie er jeden Sommer das Heizöl liefert, Tom ist in ihn hineingekracht. Der Tank muss beschädigt worden sein, der Inhalt ist auf den MG getropft, er hat Feuer gefangen und brennt lichterloh, die Flammen schlagen meterhoch, so dass die Hitze im Gesicht schmerzt. Eine Polizeistreife ist bereits eingetroffen, der Fahrer des Tank- LKW s steht bei den Beamten, aber von Tom ist weit und breit nichts zu sehen. Mein bisheriges Leben geht vor meinen Augen in Flammen auf. Habe ich das so gewollt?
    Frau Niemeyer führt mich vom Unfall weg und nimmt mich tröstend in den Arm, aber wenn ich es nicht sehen soll, warum hat sie mich dann erst hergeholt? Da vorne stirbt der Mensch, den ich mal geliebt habe. Und ich, was mache ich? Laut schreiend auf die Flammen zurennen und verzweifelt flehend »Tut doch was!« rufen, mich hilflos weinend an Frau Niemeyer klammern, Tic Tacs für alle spendieren? Wie verhält man sich in so einer Situation? Komisch, wieso flüstern alle, was ist das für ein Raunen, warum lässt Frau Niemeyer mich aus der Umarmung und zieht stattdessen immer hektischer an meinem Ärmel? Ich schaue hoch.
    Auf der anderen Seite der Straße, fünfzig Meter vielleicht in Richtung unserer Siedlung, krabbelt ein Mann die Böschung hinauf; das Gesicht blutig geschlagen, die Kleidung zerrissen, sein Körper mit Schrammen übersät. Er hat Mühe sich aufzurichten, aber er lebt, wie in Trance torkelt er auf das brennende Wrack zu.
    »Was ist passiert? Mein Auto!«

35
    Frau Niemeyer sagt, ich sei wie eine Wahnsinnige auf Tom losgestürmt, hätte auf ihn eingeprügelt und ihn wüst beschimpft. Der Arzt sagt, das sei normal in so einer Situation. Schockzustand. Ich

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