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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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jemand oben im großen Hundehimmel die ewige Ruhe finden wird, dann auf jeden Fall MacLeod, der alte Faulenzer, ganz bestimmt.
     
    »Geht’s dir besser?«, fragt Tom, als er nach Hause kommt.
    Ich nicke und schluchze auch nur noch ganz leise.
    »Gut, dass wir ein paar Tage wegfliegen, hm?«
    Wieder nicke ich und trompete in mein letztes Tempo. Tom setzt sich neben mich und lässt seine Finger durch mein Haar gleiten.
    »Steht dir gut, die neue Frisur. Macht dich jünger.«
    »Ist dir aufgefallen?«, schniefe ich.
    »Klar. Ich frage mich, wie ich mit dieser strahlenden, selbstbewussten Nicole überhaupt noch mithalten kann.«
    Oh, kann er plötzlich rührend sein, das hatte ich nicht erwartet. Bei mir öffnen sich schon wieder alle Schleusen, ich brauche die nächste Packung Taschentücher, zum Glück hat Tom den nötigen Nachschub gleich mitgebracht. Aber ist das von ihm jetzt nur Mitleid, weil ich zufällig Rotz und Wasser heulend vor ihm sitze?
    »Ach was«, heule ich, »ich bin hässlich, meine Nase ist ganz rot, ich habe Augen wie ein Vampir.«
    »Na und? Ich habe eine wunderbare Frau.« Tröstend legt er seine Hand an mein Gesicht, ich schließe die Augen und sauge die Berührung auf. Er streichelt mich, und wir küssen uns vorsichtig.
    Ist ganz ungewohnt. Hm.
    Soll ich? Ich mein, wir sind verheiratet! Womit ich nicht sagen will, dass man danach keinen Sex mehr hat, aber doch nicht nur so zum Spaß! Nein, in der Ehe hat man Sex aus Liebe. Tom hat mich die ganze Zeit betrogen. Mit Yvonne. Jetzt will er plötzlich wieder mit mir schlafen, aber wer weiß, vielleicht hat er morgen schon wieder eine andere, Yvonne ist wieder aktuell oder noch immer, keine Ahnung. Dann wäre ich für ihn nur eine schnelle Nummer zwischendurch gewesen. Aber mit meinem eigenen Mann kann ich doch keinen One-Night-Stand haben, das geht nicht.
    »Tut mir leid. Nicht heute«, sage ich, und er akzeptiert es, so wie Männer eben keinen Sex akzeptieren: Bei allem, was sie sagen, hört man laut und deutlich die Zähne knirschen.
    »Ich weiß. Ist alles ein bisschen viel für dich.«
    Wie recht er hat! Ich komm mir vor, als wäre mein Gefühlsleben von einem großen Traktor mehrfach tiefgepflügt worden. Ob ich meinem eigenen Mann schon wieder trauen kann? Ach, wäre MacLeod noch da, dann würde ich mit ihm Gassi gehen, ihn fragen und wüsste die Antwort bald ganz von selbst.

42
    Sonnenbrillen sind was Feines, sie schützen um die Augen herum vor hässlichen Fältchen; man kann herausschauen, aber von außen niemand herein. Besser, wenn niemand weiß, wie es drinnen in mir aussieht, das gilt vor allem für Tom. Mir ist vorerst nicht nach nett und pflegeleicht, sondern nach cool und distanziert.
    Wenn man im Halbdunkel des Flughafens die Sonnenbrille aufbehält, wird man gleich ganz anders behandelt, dann sprechen die Damen am Check-in-Schalter gedämpft und sehr fürsorglich, so als hätte man eine depressive Störung oder gestern zu tief ins Glas geschaut, oder als wäre man ein scheuer B-Promi vor dem Heimflug in die Staaten. Oder alles zusammen.
    Aber jenseits der Alpen ist alles besser, auch meine Laune. Schon als wir unsere Koffer aus dem Terminal rollen, kann ich das Meer riechen, und während wir hinter Cinque Terre im Cabrio die Küstenstraße entlang zu unserem Hotel cruisen, schiebe ich die Sonnenbrille ins Haar und öffne damit das Visier meiner unsichtbaren Rüstung. Tom schaut zu mir herüber, und ich schenke ihm ein Lächeln.
    »Willkommen in Italien«, sagt er.
    »Guck nach vorn!«, flehe ich: Mein Bedarf an Cabrios, die in Tanklastzüge crashen, ist noch immer gedeckt.
    Nach einer guten Stunde Fahrt durch die Wälder des ligurischen Hinterlandes erreichen wir Sestrovo, ein niedliches Küstenörtchen, von dem aus eine schmale Straße zum Kap von Mora führt. Dort liegt unser Hotel. Mit dem »Oltremare« habe ich einen absoluten Volltreffer gelandet! Es thront wie ein Storchennest mit Pool einsam oben auf der Klippe. Eine Oase der Stille!
    Giancarlo, der Padrone, begrüßt uns: ein schmächtiges Kerlchen, so klein, dass er mir nur knapp bis zu den Augen reicht, und er rennt, immer; der Bugs Bunny unter den Hoteliers. Schneller, als wir gucken können, ist unser Gepäck im Hotel verschwunden. Und nachdem er uns am Empfang die Schlüssel übergeben hat, startet er gleich wieder durch, um uns unser Zimmer zu zeigen, er hält uns stolz die Tür auf. Tom geht vor, ich folge ihm. Was für ein Panorama! Uns bietet sich ein
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