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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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Reichweite. Vorsichtig lege ich die Hände um seine Hüfte. »Nicht, das ist gefährlich«, warne ich und ziehe ihn von der Klippe weg. Tom will gerade protestieren und sich aus meiner Umarmung befreien, da löst sich neben uns ein faustgroßer Brocken, er rollt über die Felskante und fällt ins Nichts. Die Stille ist beängstigend. Nicht mal das Klatschen, als er ins Wasser fällt, kommt hier oben noch an. Tom schaut ihm bestürzt nach, und in dem Moment wird ihm bewusst, wie viel Glück er gehabt hat. Er kichert hysterisch.
    »Bist du komplett wahnsinnig geworden?«, schimpfe ich, »du hättest tot sein können!« Aber ich hab ihn sicher, ich schließe die Augen und umarme ihn, so fest ich kann.
    Weswegen war ich noch mal hier?

43
    Tom ist so lieb und wartet auf mich, während ich noch im Bad bin, wir gehen gemeinsam zum Frühstück. Als wir die Terrasse betreten, rennt Giancarlo auf uns zu und begrüßt uns überschwänglich:
    »Buongiornosignorasignore, habe’ gut geschlafen?«
    »Si, grazie«, danke der Nachfrage. Geschlafen haben wir auch, ja. Es tut so gut, wieder einen echten Mann im Bett zu haben, noch dazu den eigenen! Es war, als habe er mir in einer Nacht all das geben wollen, was er mir über Monate verwehrt hatte.
    »Sposini freschi, sisisi?«, hakt Giancarlo nach, und bei jedem »si«, das aus seinem Mund schießt, nickt er ganz aufgeregt, so als warte er nur noch auf die Bestätigung. Ich habe keine Ahnung, was das heißt: »Was will er?«, frage ich Tom. Doch statt mir zu antworten, nimmt er den zappeligen Giancarlo beiseite und redet mit ihm ganz in Ruhe. Giancarlo strahlt glücklich, warum auch immer, er kommt zu mir gerannt und gratuliert mir, wozu auch immer. Ich sage so oft wie möglich »si« und »grazie«, dann können wir uns endlich setzen. Ich habe einen Bärenhunger!
    »Wundere dich nicht, wenn gleich ein großer Blumenstrauß kommt«, warnt Tom mich.
    »Was ist hier los?«
    »Ach, er glaubt nur, wir wären frisch verheiratet.«
    »Und, was hast du ihm gesagt?«
    »Was schon? Sind unsere Flitterwochen, ja. Luna di miele.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Doch. Was soll ich machen, ihn enttäuschen? Er hat sich so für uns gefreut!« Schnell beißt er in seinen Toast, damit man sein Grinsen nicht so sieht. So schnell kann’s gehen: Von der betrogenen Gattin zur glücklichen Braut, Ehe reloaded. Auf die Überraschung hin genehmige ich mir einen tiefen Schluck Kaffee.
    »Waren wir so laut?«, wispere ich, und mein Mann flüstert zurück: »Ich nicht, du.«
    Angeber!
    Entweder hat Giancarlo in der Nacht heimlich an unserer Tür gelauscht, oder er hat sich einfach geirrt, vielleicht habe ich auch das falsche Package gebucht, wer weiß: Keine Ahnung, was ich bei der Bestellung auf die Schnelle angeklickt habe. Ist auch egal. Auf jeden Fall zählt das »Oltremare« ab sofort zu den Hotels, deren Adresse wir nie im Leben herausrücken werden, das ist beschlossene Sache, denn sonst kennt es bald jeder, und wenn wir wieder hierherfahren wollen, ist es entweder ausgebucht oder aber so teuer, dass wir es uns nicht mehr leisten können.
    Tom hatte recht, Giancarlo ist ganz in seinem Element. Nachmittags überreicht er mir einen großen Strauß weißer und roter Rosen, und dabei geht er sogar ganz gemessenen Schrittes auf mich zu, dann macht er ein Foto von uns, er rennt zum Computer, um es auszudrucken, und wir müssen es gleich signieren, damit er zur Pinnwand rennen und es aufhängen kann. Für den Abend stehen im Zimmer für uns eisgekühlter Champagner, Gläser und eine Schale Obst bereit. Grazie, Giancarlo, es fühlt sich tatsächlich an wie eine zweite Hochzeitsnacht, und das sogar ganz ohne die billigen Späße der Verwandtschaft. Zwischendurch genießen wir auch den Ausblick, weit draußen flackern auf dem dunkelblauen Meer die Lichter der Schiffe, die vorüberziehen. Es ist einfach überwältigend schön, aber wenn Giancarlo jemals die Wahrheit herausfindet, wird er rasend vor Wut sein.
    Tom und ich sind wieder ein Paar. Ich fühle es.
    Auf der Fahrt zum Flughafen nehmen wir den schnellen Weg über die Autostrada, und ich setze wieder die Sonnenbrille auf, damit Tom nicht sieht, wie ich weine. Aber dieses Mal, weil es so schade ist, dass wir abreisen.

44
    Gleich nachdem wir in Deutschland gelandet sind, schalte ich mein Handy wieder ein. Ich habe drei Nachrichten auf der Mailbox. Die erste ist von Johannes. Ich soll mich melden. Dringend.
    Ich rufe ihn noch vom Flughafen aus an.
    »Was ist
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