Nicht von dieser Welt
Denn ich knabbere ja seit Tagen an meinen eigenen Problemen: Wie sieht das bei Malo überhaupt aus? Steht er auf Frauen? Hat er eine – dort, wo er herkommt? Oder gar mehrere? Oder wie oder was? Und wie verpackt man diese Fragen geschickt, wenn er doch eigentlich zu Besuch ist, um sich unsere Welt erklären zu lassen? Und auf jede Frage über seinen Planeten sagt, dass er dazu nichts sagen darf? Kurzum: Es gelang mir nicht, Malo irgendwas zu fragen! Viel zu schnell kam Bens klassische Aufwachzeit.
Ich gehe also enttäuscht mit Malo zur Tür. Mir fällt Frau Bieber wieder ein. Ich hatte vorgesorgt! Wie bereits erwähnt, funktioniert unser neuer Außenaufzug zwar, aber er ist noch nicht vom TÜV abgenommen. Doch ich weiß dank aufmerksamer Beobachtung der Handwerker, wie man trotzdem reinkommt: Mit einem Dreikantschlüssel. (Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich dieses Wort benutze.) Solch einen Dreikantschlüssel hatte ich in unserer Werkzeugkiste gefunden. Nun führe ich Malo zum Aufzug, erkläre ihm, dass er nur so unbemerkt an der Wohnung von Frau Bieber vorbeikommt und rufe den Aufzug. Dabei entspinnt sich folgender Dialog:
Malo: „Wieso ist diese Frau eigentlich so aufdringlich?“
Ich (selbstverständlich): „Na, die steht auf dich.“
„Steht auf mich?“
Er hat so eine Art, Fragen zu formulieren, dass man sofort weiß, er kennt die Begriffe nicht.
Ich: „Ja, die ist in dich verknallt! Das ist doch offensichtlich!“
Er hat auch einen Blick, bei dem man sofort weiß: Er hat keinen Schimmer, wovon man redet.
Ich: „Sie findet dich toll. Sie begehrt dich. Sie ist verliebt. Du weißt schon, was ,verliebt sein‘ heißt, oder?“
Damit sind wir plötzlich doch wieder beim Thema. Meine Aufregung kehrt zurück. Der Aufzug kommt an. Während ich meinen Dreikantschlüsseltrick mache und die Tür öffne, nickt er und sagt: „Natürlich weiß ich, was ‚verliebt sein‘ ist …“
Aha! Immerhin!
„Aber … die Frau kennt mich doch gar nicht. Wie kann sie in mich verliebt sein?“
Ich steige in den Aufzug. Er folgt. Ich drücke auf „H“ wie Hof und sage:
„Na ja … also … weil du gut aussiehst und … gut riechst und … nett bist und …“
Ich stocke, denn er wirkt plötzlich sehr nachdenklich. Fast etwas verärgert. Hat er jetzt erst realisiert, dass so etwas möglich ist? Oder hat er gar jetzt erst kapiert, dass ich auch auf ihn stehe? Und das ärgert ihn? Ich werde plötzlich nervös, während der Aufzug langsam nach unten fährt. Malo sagt kein Wort, schaut mich so merkwürdig grübelnd an. Ich schaue vor Verlegenheit aus der Glastür des Aufzugs in den Hof. Und sehe: Frau Bieber! Damit beschäftigt, zwei Studenten herumzuscheuchen, damit diese die beknackte Spülmaschine aus dem Hof schleppen. Nein!
Malo (verstört): „Also nur wegen meines Geruchs liebt sie mich?“
Er hat sie noch nicht gesehen. Frau Bieber dafür den nahenden Aufzug, dem sie kritisch entgegenschaut. Ich höre mich sagen: „Also … ‚lieben‘ ist jetzt echt … ein bisschen übertrieben. Sie … steht halt auf dich!“
„Sie begehrt mich sexuell?“
Jetzt hat er so eine Art zu fragen, dass ich nicht mehr weiß, ob wir noch über Frau Bieber reden, oder vielleicht schon längst über mich. Ich werde noch panischer, während der Aufzug unten zum Halt kommt, direkt vor Frau Bieber.
„Na ja, also … was weiß ich!“, platzt es aus mir heraus. „Sie steht übrigens da!“
Ich deute zur Glastür, die ich nun mit dem Dreikantschlüssel öffnen muss. So kritisch Frau Bieber mich und den Dreikantschlüssel auch anschaut, als sie Malo entdeckt, wird ihr verbiestertes Gesicht zum Sonnenschein! Die Tür geht auf. Ich bin vergessen. Die verbotene Aufzugfahrt auch. Sogar die Studenten mit der Spülmaschine. Sie strahlt Malo an.
„Herr Müller! Wie reizend, Sie wiederzusehen! Darf ich Sie auf eine Tasse Tee einladen? Ich habe auch noch köstlichen Kuchen da. Mit einer Apfelmus-Zimt-Füllung!“
An dem Punkt wird mir klar: Entweder muss Frau Bieber ein fürchterliches Unglück zustoßen oder ich muss Konstantin die ganze Wahrheit über meinen Außerirdischen und mich erzählen. Anders komme ich aus der Nummer nicht mehr raus. Denn sie wird nie lockerlassen! Während ich die Optionen abwäge, höre ich Malo mit zorniger Stimme zu Frau Bieber sagen: „Ich interessiere mich nicht für Sie! Weder sexuell noch romantisch! Bitte lassen Sie mich in Ruhe!“
Sagt es, nickt mir zum Abschied noch
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