Nicht von dieser Welt
16:43
Eigentlich ist die Woche vor Weihnachten immer super anstrengend. Aber diesmal kommt zu der Einkauferei, Planerei und Fragerei („Wievielmal noch schlafen?“) hinzu, dass bei uns gerade nichts stimmt. Die ganze Familie ist wie gelähmt durch unsere Affären. Streng genommen hatte Konstantin seine Affäre zuerst. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch nach unserem Streit. Bei mir fing sie erst Mittwochnachmittag an. Dafür ging meine fast zwei Wochen. Und ich … ja, ich empfinde wirklich etwas für den Mann, mit dem ich die Affäre habe. Was man von Konstantin und seiner Uschi nicht sagen kann. Ihm ist die Geschichte einfach nur wahnsinnig peinlich. Und er wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ich ihm vergebe und dass alles „wie früher“ ist. Das sagt er ständig. Das Dumme: „Früher“ war nicht alles gut. Wir hatten eine Menge Probleme und mir ist erst durch das Auftauchen von Malo bewusst geworden, wie es sein kann. Wie ein Mann sein kann. Wie ein Gefühl sein kann. Trotzdem habe ich Malo auf Distanz geschoben. Er hat daran zu knabbern. Akzeptiert es. Ich habe daran zu knabbern. Kann es nicht mehr länger akzeptieren. Denn ich bin gerade verdammt einsam. Und das ist nicht nur doof, weil morgen Weihnachten ist. Und auch nicht nur, weil ich in knapp zwei Monaten ein Kind erwarte. Einsam sein, obwohl man von lauter Menschen umgeben ist, ist immer beschissen.
Ich werde mit Konstantin reden. Sofort nach Weihnachten. Und ihm endlich von Malo erzählen. Denn es wird so oder so passieren. Und je länger ich es aufschiebe, desto mehr wird Konstantin sauer sein, dass ich ihn habe schmoren lassen. Vor Weihnachten ist es doof. Die Aussprache wird Konsequenzen haben und die sollen Ben nicht die Feiertage versauen, auf die er sich mit jedem geöffneten Türchen mehr freut. Außerdem müht Konstantin sich so dermaßen ab. Er hat sich den Heilig Abend frei genommen, um uns am Abend mit seiner Niedrig-Temperatur-Gans zu verwöhnen. An den Weihnachtsfeiertagen muss er dann arbeiten – das sind wirklich die wichtigsten Tage im Restaurant. Also Dienstag. In vier Tagen.
Frohe Weihnachten
Veröffentlicht am Sonntag, 25. Dezember 2011 – 12:40
Wir sind, was Weihnachten angeht, eher traditionell. Der Weihnachtsbaum wird erst an Heilig Abend gekauft. Dann nachmittags aufgebaut, ohne dass Ben es mitbekommt. Und wenn der Kleine ins Wohnzimmer geführt wird, steht der leuchtende Baum da mit allen Geschenken darunter. So zumindest war gestern der Plan. Ben schlief seinen Mittagsschlaf. Konstantin und ich machten uns an die Arbeit.
Der Baum ist mal wieder ein wenig schief. Das hat auch Tradition bei uns. Und liegt daran, dass wir in der Regel die Letzten sind, die einen kaufen. Früher fanden wir das lustig. Als Konstantin gestern mit der schiefen Tanne ankam, musste ich allerdings nur seufzen. Damit war dann schon der Tonfall fürs Schmücken gesetzt. Ich war extrem gereizt. Aus irgendwelchen Gründen fällt es seit jeher mir zu, die Lämpchen im Baum anzubringen, obwohl das wahrscheinlich die mühevollste Aufgabe überhaupt ist, zumindest wenn man so eine Fünfzigerlichterkette hat. Natürlich hatte Konstantin angeboten, die Aufgabe zu übernehmen, weil ich mit meinem dicken Bauch kaum noch in die Ecke hinter den Baum passe, aber dass er aus schlechtem Gewissen mittlerweile alles tut, stresst mich nur noch mehr. Also habe ich darauf bestanden, die Lichter selbst anzubringen. Ich habe es gehasst! Ich habe gewurschtelt und geflucht. Mit jeder gut gemeinten Anweisung oder Hilfestellung von Konstantin wurde es schlimmer. Das gipfelte schließlich in folgendem Gespräch:
Konstantin (nett): „Schatz, du bist ein wenig rechtslastig.“
Ich (supergereizt): „Was?“
„Nichts, nichts!“
„Konstantin, sag es, wenn du was sagen willst!“
„Nicht wichtig.“ Er murmelt: „Auf der Seite sind kaum Lichter!“
Ich hasse es, wenn er murmelt. Das macht er immer, wenn er unsicher ist.
„Was?“
„Hier sind kaum Lichter!“
„Da komm ich ja noch hin!“
„Oh. Entschuldige!“
„Du musst dich nicht dauernd entschuldigen. Das nervt.“
„Tut mir leid. Sorry!“
„Hast du dich jetzt gerade dafür entschuldigt, dass du dich entschuldigt hast?“
Da war es irgendwie aus bei mir. Ich steh da mit Tannenzweigen im Gesicht hinter dem schiefen Baum, habe höllische Rückenschmerzen, keine Ahnung, wie ich je wieder mit dem Lämpchenkabel bei der Steckdose rauskommen soll und Konstantin steht mit diesem
Weitere Kostenlose Bücher