Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition)
es nicht, sagt er, normalerweise käme der Kurierfahrer mit diesen Dingen gar nicht in Berührung. Eigenartig, das Ganze.
Dann erwähnt er noch spezielle Apothekentransporte. Besonders zubereitete, verderbliche Arzneien, die sofort in eine entsprechende Klinik müssten. Deshalb solle ich bei Stau 112 anrufen. Dann ginge der Transport im Ernstfall mit Blaulicht weiter. Seine Sprechweise ist primitiv. Er erzählt noch, was er schon für »Hirnies« gehabt habe. »Keene Ortskenntnis, Auto nach zehn Meter fahren kaputt, tausend andere Termine.« Andere hätten nicht begriffen, dass die 400 Euro monatlich natürlich auf das Arbeitslosengeld II, bis auf den Freibetrag, angerechnet werden. Manche wollten nur »schwarz« arbeiten.
Ich erwähne in diesem Zusammenhang den Jobcenter-Termin am Donnerstag um 17:00 Uhr, wegen der wichtigen Nachzahlung. Ja, das sieht er ein.
Alles in allem habe ich doch die Hoffnung, dass aus dem Job was wird. Es wäre genau das Richtige. Was schert mich das pathologische Transportgut? Dienste zwischen den Kliniken, das ist ein angenehmes Milieu, das heißt weite Touren, zum Beispiel vom Krankenhaus Friedrichshain zum Wald-Krankenhaus Spandau.
Der Prolet erwähnt auch Fernfahrten, die hin und wieder erforderlich seien. Da brauche er dann schon einen verlässlichen Mann. »Aber immer. Ich bin dabei.« Ich dachte mir dann: Egal, wie seine Art ist, man muss die Menschen nehmen, wie sie sind. Mag er ein Raubein sein, vielleicht ist er doch ein guter Kerl.
Bezüglich der Benzinabrechnung sagt er noch: »Wenn ick merke, det eener korrekt is un mich nich bescheißen will, kiek ick nich off’n Penny.«
Er erwähnt oft die »Chemie«, die stimmen müsse. Ich solle es mir überlegen. Ich will ihm morgen definitiv Bescheid sagen, aber er kann schon heute davon ausgehen, dass ich den Job mache. Er verabschiedet mich sehr freundlich.
Im Auto, fahre über die Steinstraße, Barnetstraße, Lichtenrader Damm/Bahnhofstraße zur ESSO-Tankstelle. Kaffee und Zigaretten. Ich bin optimistisch gestimmt. Das wäre der ideale Job. Morgen sage ich ihm zu.
Sonntag, 13. 11. 2005
Gegen halb zwölf Kurierdienst Schwalbe angerufen. Ich sagte ihm: »Ich mache den Job.« Er will mich bis Dienstag anrufen. Er habe noch so viel zu organisieren.
Dienstag, 15. 11. 2005
Bis achtzehn Uhr kein Anruf. Ich rufe selbst an. Eine junge Frau ist wieder am Telefon. »Hat mein Mann noch nicht angerufen?« Die Frau am Telefon sagt, es gäbe noch so viel zu klären. Sie sagt was von Informationsfahrt. »Den Job kannst du vergessen«, denke ich bei mir.
Was brauche ich erst großartige Informationsfahrten? Er soll sagen, was ich wohin fahren soll und los geht’s. Das habe ich aber alles nicht gesagt. Ich wollte wissen, ob er mich nun nimmt oder nicht. Darauf konnte sie keine klare Antwort geben. Ja, ich solle mich ruhig anderweitig umsehen. Also, das war’s. Die Sache ist gestorben.
Freitag, 18. 11. 2005
Telefonat mit dem Trägerverein: Bescheid gegeben, dass es nichts wird mit Kurierdienst Schwalbe. Der Mann am Telefon scheint an meiner Mitteilung etwa ebenso interessiert zu sein, als wenn ich ihm mitgeteilt hätte, dass heute in der Lüneburger Heide die Heidschnucken geschoren werden.
Dienstag, 22. 11. 2005
Jobcenter, erste Etage. Informationsveranstaltung Arbeitsgelegenheiten für Ältere. Die Moderatorin war Frau Kibitz. Es kam nichts Gescheites dabei heraus. Einige der älteren Männer malten gleich wieder den Teufel an die Wand. Wenn der Träger einen zu einer Arbeit steckt, für die man nicht geeignet ist und die den vorgeschriebenen Rahmen übersteigt. Ich dachte an mein eigenes Beispiel, klammheimlich zum Altenpfleger verdonnert zu werden. Aber es gibt keine Sanktionen, und im Zweifelsfalle ist sicher eine Klärung möglich, ehe es zu Strafmaßnahmen (Geld weg) kommt. Die müssen immer gleich übertreiben.
Erste Etage Zimmer 303 zu einem Herrn Droch. Das war ein freundlicher Herr. Hat mir eine Arbeitsgelegenheit mitgegeben im Stadtteilzentrum. Vielleicht ist da was mit Autofahren drin.
Mittwoch, 23. 11. 2005
Termin Stadtteilzentrum: Eine ganze Weile warten. Kaffee und Keks. Zum Rauchen raus auf die Terrasse. In der zweiten Etage liegt ein kleines Büro mit Giebelfensterchen. Frau Roser sagt, ich solle Kinder bei den Hausaufgaben betreuen. Das kann ich nicht und will ich nicht. Ich habe keinerlei »Führungsqualitäten«, jedenfalls nicht gegenüber einer Gruppe. Die zünden mir ein Streichholz an
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