Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition)
ebenfalls Ein-Euro-Jobber, der sich den Pfleger-Job hat andrehen lassen. Er kann aber sehr gut mit diesen Patienten umgehen. Ich bin bedient.
Soll eine alte Frau in ihr Zimmer fahren. Sie wollte inhalieren, aber nun gibt es Mittagessen. Wenn man sie besser kennt, kann man sich halbwegs mit ihr verständigen. Ich glaube, sie war in ihrer Jugend mal sehr schön.
Mittagessen. Ich muss die, neben der ich schon beim Frühstück saß, füttern. Sie ist total dement, eigentlich nur noch ein Lebewesen. Dieses Geklecker und Geschmiere, fürchterlich. Mir wird immer klarer: Man hat mich verladen. Wenigstens etwas tröstet mich für später: Es gibt hier nur Einzelzimmer, auch für nicht Zahlungskräftige wie mich.
Die Spätschicht kommt und mit ihr die Chefin von der Station. Sie ist recht freundlich und verständig. Sie sieht ein, dass ich das hier nicht machen kann. Ich will auch nicht. Sie rief dann Herrn Schmitz an. Warten. Herr Schmitz meint, das gehöre alles als Mobilitätshelfer mit dazu, so etwas wie »Essen reichen«. Aber das hier ist kein Essen-Reichen, das ist eindeutig Füttern. Die Stationschefin sagt: »Viel jüngere haben hier schon nach einem halben Tag die Segel gestrichen.« Damit war der Dienst zu Ende.
Dienstag, 25. 10. 2005
Anruf Jobcenter. Herr Kalmer ist nicht da.
Mittwoch, 26. 10. 2005
Anruf Jobcenter. Herrn Kalmer Bescheid geben, dass Heim-Job geplatzt ist.
Freitag, 28. 10. 2005
Telefonat mit Frau Dinkel vom Verein zur Förderung von Arbeitslosen. Kann meine neun Euro vom Johanniter-Heim am Freitag holen.
Dienstag, 01. 11. 2005
Fahre zu einem Verein, der sich um berufliche Bildung kümmert. In einem Vortragsraum werden allgemeine Informationen ausgegeben. Der Verein macht einen guten Eindruck. Bekomme einen Termin für Einzelberatungsgespräch.
Dienstag, 08. 11. 2005
Termin Einzelberatungsgespräch. In dem Fenster vom Haus gegenüber saß ein schwarz-weißes Kätzchen. Zigarette. Erst mal weiß keiner von meinem Termin. Nach eineinhalb Stunden Warten lässt man mich zu einem Herrn Morle. Der sitzt dort mit einer Sekretärin in seinem Zimmer, fummelt an seinem Computer herum und hört mir nur sehr oberflächlich zu. Er bietet mir eine Stelle als Busfahrer an. Sehr viel Umgang mit Fahrgästen – Nein, danke. Ich habe auch gar keinen Busführerschein.
Dann hat er noch einen Kurierjob mit eigenem Pkw bei einem Kurierdienst auf 400-EUR-Basis. Das will ich machen. Herr Morle gibt mir die Telefonnummer des Arbeitgebers mit. Ich soll Herrn Morle noch einen Bericht über meine Aktivitäten schreiben und diesen verdammten tabellarischen Lebenslauf.
Kaiser-Wilhelm-Str. »S-Bahn«, Folienkartoffel und Tee. Im Auto Telefonat mit Kurierdienst Schwalbe. Soll am Samstag um 13 Uhr vorbeikommen.
Freitag, 11. 11. 2005
Zum Jobcenter. Unten bei der Vorabfertigung ist eine Warteschlange. Änderungsbescheid, Nachzahlung GASAG für die Gasabrechnung. Ich habe kein Geld mehr. Gehe hoch zum Wartebereich zu Herrn Kalmer, aber es war jemand drin. Ich will ihm Bescheid sagen, dass ich beim Einzelberatungsgesprächstermin gewesen bin. Er schickt mich zu einer anderen Sachbearbeiterin. Sie war sehr nett. Habe ihr gesagt, dass ich mit der Arbeitsweise der Trägervereine nicht zufrieden bin, auch nicht mit dem Verein, der sich um berufliche Bildung kümmert. Sie war sehr freundlich. Warte circa eine Stunde. Werde dann zu Herrn Schiller gelassen. Der war auch sehr angenehm. Termin für Donnerstagnachmittag. Dann werde ich etwas Geld bekommen.
Samstag, 12. 11. 2005
Termin bei Kurierdienst Schwalbe. Mein erster Eindruck: erschreckend, ein raubeiniger Kneipentyp, ein Prolet. Der Mann macht Kurierdienste für die Pathologie und für Apotheken. Er erzählt mir was von toten Frühgeburten, dass man so etwas dort zu sehen bekomme und manche deswegen »aus’n Latschen kippen«, besonders wenn sie selbst kleine Kinder hätten. Ob ich einen solchen Anblick ertragen könne? Dann spricht er von Behältern, bei denen manchmal die Verschlüsse aufspringen und die man deshalb besonders vorsichtig und stabil lagern müsste. »Kann es passieren, dass bei einem scharfen Bremsen vielleicht eine Leber durch das Auto rutscht?«, frage ich ihn direkt. Bei mir denke ich: Normalerweise sind solche Präparate doch fest verschlossen, oft sogar plombiert, in stabilen Zink- oder Aluminiumbehältern, für die ein scharfes Bremsen bedeutungslos ist. Allein schon wegen der strengen Hygienevorschriften.
Nee, nee, so sei
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