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Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition)

Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition)

Titel: Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Undine Zimmer
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es besser kannst« an. Ich spüre trotz des Wohlwollens, dass mich meine Verletzbarkeit angreifbar gemacht hat. Manche der Fragen, bestätigt mir später in einem privaten Gespräch meine Zweitprüferin, waren nicht unbedingt angemessen. Eher Testfragen, ob ich mich verteidigen kann, wenn ich angegriffen werde. Notdürftig.
    Nach der Prüfung werfe ich alle Unterlagen und seitenweise handgeschriebene Notizen in einen Mülleimer am Kottbusser Tor und rauche zwei Zigaretten nacheinander. Für mich, die sonst kaum raucht, eine Grenzüberschreitung. Diese Themen waren meine Leidenschaft, mein Backup. Man hatte mir angedeutet, ich solle doch überlegen zu promovieren. Stipendien gäbe es freilich keine, aber ein Empfehlungsschreiben wäre wohl drin. Jetzt sind die Blätter vollgesogen mit dem Gift des Versagens. Und ich fühle mich, als könnte ich nichts ändern, egal wie sehr ich dagegen ankämpfe. Und irgendwann würde ich vermutlich einfach aufgeben. Es ist so viel leichter, sich mit einem Job als Kellnerin zu identifizieren.
    Dennoch dachte ich, es müsste doch irgendwie logisch sein, wenn ich mich nach meinem Publizistik- und Germanistikstudium und als langjährige Mitarbeiterin der einzigen studentischen Skandinavistik-Fachzeitschrift im Journalismus bewerbe. Ich wollte doch dorthin, wo Texte entstehen. Wo man sich über Literatur, Filme und Menschen anspruchsvolle Gedanken machen darf. Und schließlich hatte es in einem Bewerbungsgespräch geheißen: »Bunte Vögel wie dich nehmen wir gern.« Bunte Vögel? Fachfremde Außenseiter wie mich? Ich musste eine ganze Weile darüber nachdenken, bis ich verstand, dass die normalen Bewerber von den Journalistenschulen kommen. Ich nicht. In meiner Bewerbung stand, dass ich nebenbei ein kleines Café schmiss. Übertrieben war das nicht: Ich war fast jeden Tag dort. Ich machte Arbeitspläne, ich konnte jede Schicht allein bewältigen, ich ging einkaufen, ich war die Urlaubsvertretung des Chefs, ich rechnete ab, bestellte, was fehlte, und meine Kollegen riefen mich an, wenn die Kasse oder die Spülmaschine wieder repariert werden musste. Mein Vorgesetzter nannte das »richtige Arbeit« und schüttelte verständnislos den Kopf, wenn ich ihm von meinen Bewerbungen erzählte.
    *
    Einige Monate später war ich für kurze Zeit Praktikantin in einem renommierten grünlich-gläsernen Gebäude in Deutschlands Medienstadt im Norden. Einem jener Orte dieser Welt, an denen nur die Putzkräfte eine dunkle Hautfarbe haben. Das war bei meinem Studentenjob bei Siemens genauso gewesen. Nicht mal in der Kantine war hinter den Wärmebehältern ein Mensch mit dunklem Teint zu finden. Höchstens wieder in der Spülküche. Unter den Journalisten sah ich bestenfalls ein paar »Quotentürken« oder die »zweite Generation mit Migrationshintergrund«. So viel zur Durchlässigkeit.
    Ich hatte mich auf das Praktikum gefreut. Was immer ich hier lerne, wird gut für mich sein, sagte ich mir. Obwohl meine Redaktion nicht zu einem Blatt gehörte, das ich wirklich lesen würde, hatte die Beschreibung mich angesprochen, weil es nach Herausforderung klang und mir versprochen wurde: »Sie schreiben in allen Genres und Formaten«. Der Name der Zeitung dürfte jeden jungen Lebenslauf schmücken, aber mir war es nicht wichtig, welch toller Name über der Eingangstür stehen mochte, durch die ich morgens schritt. Viel wichtiger schien mir, im Praktikum gut betreut zu werden, etwas zu lernen, gezeigt zu bekommen, wie man selbst aus einer schwachen Idee ein anspruchsvolles Thema macht. Aber dazu hätten meine Kollegen und ich die gleiche Sprache sprechen müssen.
    In einigen Büros findet man sofort Kollegen und Vorgesetzte, mit denen man sich gut versteht und die einem die richtige Mischung aus Respekt und Selbstvertrauen einflößen, weil sie einem etwas zutrauen. Zu anderen passt man einfach überhaupt nicht. Ich hasse zum Beispiel große Betriebskantinen. Und das Gehabe um die Essensverabredungen finde ich geradezu albern. »Gehen wir mal zusammen essen?« »Ja gern, nein, heute und morgen bin ich schon verabredet, aber warte, ich gucke in meinen Kalender. Nächsten Mittwoch hätte ich Zeit. Wunderbar, ich trag dich gleich ein.«
    Das ist ja schlimmer als in der Schule! Warum geht man nicht einfach zusammen essen mit denen, die Lust haben, mitzukommen? Ich ginge lieber allein, wenn es nicht so auffällig wäre und in der Luft der Dunst von »Will etwa keiner mit dir essen gehen? Bist du womöglich nicht

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