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Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition)

Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition)

Titel: Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Undine Zimmer
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vorgeschrieben, so dass auch meine Erfahrungen beim Uni-Radio, beim Jazzfest Berlin, beim Internationalen Literaturfestival, in einer Literaturagentur und die konzeptionelle Arbeit für den sich gerade gründenden skandinavischen Kulturverein »Kulturhus Berlin« nicht anerkannt wurden.
    Die Entscheidungen, welche Extraleistungen neben dem Studium als verzögernde Qualifikation anerkannt werden und welche nicht, sind eben nicht immer gerecht. Der Sachbearbeiter sagte zu mir: »Leider können wir nichts machen. Hoffentlich finden Sie einen Arbeitgeber, der Ihr Engagement dann schätzt.« Während ich seine nett gemeinten Worte hörte, habe ich angefangen, darüber nachzudenken, dass ich wohl irgendetwas falsch gemacht hatte. Ich fand es unfair. Und arbeitete seitdem noch mehr, um mein Studium endlich abschließen zu können.
    Weil ich meine Magisterarbeit im Ausland schreiben wollte, beantragte ich ein Abschlussdarlehen. Ich wollte über eine schwedische Zeitschrift schreiben und daher Zugang zu den Bibliotheken vor Ort haben, wie auch mit den Machern und Forschern sprechen. Kurz, ich musste wieder nach Schweden. Das hätte ich mit meinem Kino-Job aber niemals vorfinanzieren können. Außerdem muss ich mich auf große Projekte ganz konzentrieren können. Ich wusste, ich würde meine Magisterarbeit nicht schaffen, wenn ich nebenbei arbeiten gehen müsste. Ein Stipendium vom DAAD passte mit seinen Fristen nicht in meinen Zeitplan. Außerdem glaubte ich nicht, dass ich es bekommen würde. Also blieb für mich als einzige Alternative das Abschlussdarlehen der KfW.
    Das Darlehen konnte ich erst beantragen, nachdem ich meine Magisterarbeit offiziell angemeldet hatte. Ab diesem Zeitpunkt lief auch meine kostbare Schreibzeit. Bis das erste Geld auf meinem Konto war, dauerte es aber drei Monate. Drei Monate, in denen ich genauso viel jobben musste wie vorher und in denen kaum Zeit für die Recherchen blieb. Als das Geld kam, kaufte ich davon einen neuen Computer, bezahlte die Miete für zwei Monate in Schweden und mein Ticket dorthin.
    Das Geld ist sicher nicht für einen Auslandsaufenthalt berechnet. Aber was ich bekam, reichte gerade so für das Schreiben der Magisterarbeit, nicht aber für die darauffolgenden Prüfungen. Die haben mich dann ein weiteres Jahr gekostet. Nebenbei fing ich an, in einem kleinen Café zu arbeiten, bis zu fünf Tage die Woche, womit ich in der Prüfungszeit meinen Lebensunterhalt finanzierte. Die ersten Prüfungen gingen noch ganz gut, aber zur letzten bin ich nur noch gekrochen. Und ich fühlte mich auf einmal sehr müde.
    Und so sitzt man am Ende der »besten Zeit seines Lebens« auf einem Berg Schulden. Inzwischen habe ich schon zum vierten Mal den Stundungsantrag für mein Abschlussdarlehen bei der KfW abgeschickt. Solange der Kredit nicht bezahlt ist, wird auch das BAföG nicht fällig. Jedes Jahr kommen Zinsen hinzu. Während des Jahres versuche ich, nicht an die Gesamtsumme meiner Schulden zu denken, die ich dem Staat für meinen Bildungsaufstieg noch zurückzahlen muss.
    Leider haben sich bisher die beruflichen Chancen für Geisteswissenschaftler als nicht so ergiebig erwiesen. Aus den vielen unbezahlten Praktika hatten sich höchstens Kurzzeitbeschäftigungen ergeben, aber nie eine reale Jobchance. Aber ich wollte den Idealismus, mit dem ich studiert hatte, nicht gleich für irgendeine Anstellung in irgendeinem Büro aufgeben. Ich durchforstete die Unterlagen im »Career Center« meiner Uni, suchte passende Jobprofile, schrieb Bewerbungen an Kulturinstitutionen, die skandinavische Botschaft und an Redaktionen und Journalistenschulen. Die erste positive Rückmeldung kam von einer großen überregionalen Wochenzeitung – immerhin für eine Hospitanz. Ich musste zwar ein Jahr warten, aber es fing doch gar nicht so schlecht an. Damals war ich sogar noch optimistisch, beflügelt von dem Ergebnis meiner Magisterarbeit. Ich wollte mutig sein und mich auch endlich bei einer Tageszeitung im Feuilleton bewerben.

KAPITEL NEUNZEHN
    Bunter Vogel mit Versagensängsten
    In dem es um launische Professoren, die Fallen des Smalltalks und meinen Hartz- IV -Komplex geht, die mich auf der Suche nach einem Ort begleiten, an dem ich als »normal« gelte.
    Es sind oft die kleinen Begebenheiten, die einen fassungslos machen können. »Mach bloß nicht was, was wieder so viel Wirtschaft macht«, sagt mein Vater, als ich ihn frage, was ich dieses Jahr zu Weihnachten kochen soll. Er hat den aufwendigen, aber

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