Nichts Als Ärger
ich habe versucht, ihn das glauben zu lassen.« Als Chaloni nicht antwortete, stellte sich der ermutigte Subar etwas aufrechter hin. »Ein seltsamer Kerl. Irgendetwas an dem stimmt ganz und gar nicht. Aber irgendwie, und ich weiß nicht wie, kann er einen dazu bringen, Dinge zu ›fühlen‹.«
»Das stimmt«, gab ihm Dirran, der sich an die beunruhigenden Emotionen erinnerte, die ihn in ihrem Versteck heimgesucht hatten, sofort recht.
Subar rammte einen Daumen in seine Brust. »Ich habe versucht, ihn auf unsere Seite zu bringen, weil ich dachte, er könnte uns von Nutzen sein.«
»Aber das ist dir nicht gelungen«, beendet Zezula den Satz für ihn.
Der Junge machte eine Geste, die bedeuten sollte, dass ihm das ganz und gar nicht peinlich war. »Er stammt nicht von hier. Will bald abreisen. Ich hab’s versucht.«
Chaloni schien über die Worte des Jüngeren nachzudenken. Subar, der dessen Starren ertragen musste, versuchte, dem Blick des Ganganführers auszuweichen und gleichzeitig weiterhin gleichgültig zu wirken. Er wusste, dass er gegen Chal keine Chance hatte, wenn es zum Kampf kommen sollte, selbst wenn sich Dirran und Behdul raushielten. Er würde die Prügel einstecken und damit leben müssen.
Aber es war Zezula, die ihn unabsichtlich davor bewahrte. »Was ist denn da oben passiert, Chal?«
Ihre Frage brachte Chaloni augenblicklich in die Devensive. Mehr damit beschäftigt, seinen Ruf als Macho zu verteidigen, war er plötzlich nicht mehr daran interessiert, Subar eine Lektion zu erteilen. »Ist kaum der Rede wert«, murmelte er. »Die Jungs und ich, wir wurden gewissermaßen angegriffen. Dieser rothaarige Kerl muss eine Art Wellenformpro-jektor in seiner Tasche gehabt haben. Er hat uns zu Boden gezwungen, aber wir hätten dagegen ankämpfen können, wenn wir gewollt hätten. Dann ist er abgehauen, bevor wir ihn uns schnappen konnten.« Er starrte Subar an. »Genau das ist doch passiert, oder?«
Der Junge war sich darüber bewusst, dass sich ihm ein Ausweg bot, wo er vorher keinen gesehen hatte, daher nickte er rasch und drehte sich zu Zezula um. »Chal hat recht. Der Lange konnte entkommen, bevor Chal, Dir und Sal sich wieder aufgerappelt hatten.«
Zezula machte ein skeptisches Gesicht, da sie aber keine Gegenbeweise hatte, hielt sie lieber den Mund. Chalonis Gesichtsausdruck war bei Weitem nicht brüderlich, als er Subar nun betrachtete, aber er sah auch nicht mehr so aus, als würde er den Jungen gleich zu Brei schlagen. Subar achtete jedoch genau darauf, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
»Dann weiß ja jetzt jeder, was passiert ist«, brummte Chaloni, der zwar besänftigt, aber noch nicht wirklich entspannt war. Er legte einen Arm um Subar und zog den Jungen mit sich, als sich die Gang in Bewegung setzte. »Ich bin froh, dass du dich so daran erinnerst, wie es gewesen ist.« Für Chalonis Verhältnisse war diese Bemerkung fast schon ein Kompliment. »Alle müssen zusammenarbeiten, damit das funktioniert, was ich mir ausgedacht habe.«
Augenblicklich wurde Subar wachsam. Chalonis letzter Plan war nicht ganz so verlaufen, wie gedacht. Dirran und Sallow Behdul würden jederzeit kritiklos tun, was ihr Anführer ihnen sagte, das war Subar klar. Nur Missi schien ebenso skeptisch wie Subar zu sein. Natürlich erinnerte sie ihr verletzter Fuß ständig an Chalonis Fehlplanung. Zezula wirkte ebenfalls recht unentschlossen. Wenn er sie beobachtete, hatte Subar oft das Gefühl, dass es ihr ziemlich egal war, ob sie oder jemand in ihrer Gesellschaft lebte oder starb. Weder die Zukunft noch die Vergangenheit schienen Zezula zu interessieren, nur der Moment war wichtig. Das machte ihn nachdenklich.
Konnte es sein, dass sein fiebriges Verlangen nach ihr unangebracht war? Gab es möglicherweise jemanden, der seine Zuneigung weitaus mehr verdient hatte? Doch so sehr er sich auch anstrengte, ihm wollte niemand einfallen. Wenn Zezula so dicht vor ihm stand, fiel es ihm schwer, überhaupt an jemand anderen zu denken. Sie dominierte seinen unmittelbaren Horizont dermaßen, wie das Licht von Visarias Stern die oft neblige Atmosphäre. Doch ihr mangelndes Interesse für die Welt um sie herum verwirrte ihn stets aufs Neue.
Plötzlich fiel ihm auf, dass er noch nie gesehen oder gehört hatte, wie Zezula eine eigene Entscheidung traf. Sie war relativ mutig und direkt, in gewissen Dingen auch sehr kompetent, aber es war immer Chaloni, der entschied, was getan wurde. Doch sie war auch nicht schwach,
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