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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Ableben verdienter Kollegen. Erst vor einer Woche hatten sie Ernst Wolters zu Grabe getragen. Er hielt dagegen, so gut er konnte. Rauchte nicht. Trank selten. Nahm genug Vitamine.
    Sonnemann riß die Tür auf, ließ sich wieder in den Sessel fallen und atmete hörbar aus. »Wer hat damals die Geschichte über Bunge geschrieben? Die Frankfurter Staatsanwaltschaft in Gestalt von Herrn Dr. Manfred Wenzel« – der bekennende Akademikerverächter Sonnemann grinste anzüglich – »hat Fragen zu unserer Story über Berlins prominentesten Päderasten.«
    »Ich«, sagte Schiffer mit müder Abgeklärtheit in der Stimme.
    »Und woher kam der Tip?«
    »Na, wenn sogar du das nicht mehr weißt!« Schiffer reagierte wie ein quengeliges Kind.
    »Geh der Sache noch mal nach«, sagte Sonnemann. »Hansi kann dir zuarbeiten.« Becker nickte ergeben. Schiffer runzelte die Stirn.
    »Was ist mit dem Nachfolger von Bunge?« Sonnemann schien an der Antwort auf seine Frage nicht übermäßig interessiert.
    »Es ist eine Nachfolger in «, sagte Lilly E. Meier und legte die kleine Hand mit den kurzgeschnittenen Nägeln behutsam auf die polierte Platte des Konferenztisches. »Nach einem Männerplatz auf der Liste folgt ein Frauenplatz. Die Quote …«
    »Gutgut.« Sonnemann war auf Subtilitäten wie die Errungenschaften der Frauenbewegung nicht ansprechbar. Nur Lilly verzieh er solche Belehrungen. »Wollte nicht Zettel ein Porträt der Dame abfassen? Wo ist der Kerl überhaupt?«
    »Auf der Suche nach dem Bernsteinzimmer.« Schiffer tat todernst, die anderen kicherten.
    Sonnemann machte eine wegwerfende Bewegung. »Egal. Isolde übernimmt das.«
    »Iiich?« Man sah Isolde an, daß ihr nichts ferner lag denn die dienende Rolle als Rädchen in der großen Maschinerie. »Aber ich muß noch …«
    » Zwei Features im Monat, Isolde«, sagte Sonnemann. »Das muß für ein so überströmendes Ego wie das deine reichen. Und ein Porträt ist auch was Schönes.«
    Isolde maulte, aber sie schien sich zu fügen. Sonnemann gab sich abwechselnd als guter Onkel und als autoritärer Menschenschinder – und wunderlicherweise funktionierte die Methode.
    »Frank?« Lilly sprach leise, aber unüberhörbar. »Laß mich das machen.«
    »Aber du mußt doch noch …«
    »Ich weiß. Bitte. «
    Sonnemann seufzte theatralisch auf, warf seinen zerkauten Bleistift auf den Schreibblock und sagte: »Weil du es bist.« Was konnte man schon sagen, wenn Lilly eine Bitte hatte.
    Während der Blattkritik schaltete Hans Becker ab. Diesmal waren Schiffer die schönen Grüße von der Chefredaktion zugedacht – so nannte Sonnemann die Kritik von oben. Wohl bekomm’s, dachte er. Er war erst vor zwei Monaten dran gewesen und hatte sich davon drei Wochen lang nicht erholt. Er beneidete alle anderen um ihr dickes Fell, besonders den Kollegen Zettel, der sich bei Kritik grinsend zurückzulehnen und »Nur wer nichts tut, macht nichts verkehrt« zu sagen pflegte.
    Wo war der Kerl? Er war seit Wochen nur noch sporadisch in der Redaktion und begründete seine langen Absenzen mit einer großen Reportage über die »Bauplätze der Berliner Republik«, wie er es nannte. Zettel mußte in jede Baugrube gestiegen und jedes alte Fundament, jeden Keller, jeden Bunker besichtigt haben, bevor die großen Schaufelbagger die Relikte der alten Zeit endgültig zuschütteten. Daß er auf der Suche nach dem Bernsteinzimmer sei, war der geflügelte Redaktionsscherz. Zettel hatte Sonnemann vor ein paar Monaten die angeblich heiße Story verkaufen wollen, das Bernsteinzimmer sei nicht beim Angriff der Roten Armee auf Königsberg 1945 verbrannt, sondern in einem thüringischen Kalibergwerk eingebunkert worden. Sonnemann hatte sich geweigert, das Honorar für einen Informanten und die Reisespesen für Zettel zu bezahlen. »Hirngespinste drucken wir nicht«, hatte er kategorisch gesagt.
    Ein Rippenstoß von Eyring ließ Becker hochschrecken. Sonnemann sah mit zusammengekniffenen Augenbrauen zu ihm herüber.
    »Das gilt auch für dich, Hansi!« sagte er.
    Becker nickte stumm. Ja und amen sagen half immer. Auch wenn er wieder einmal nicht wußte, worum es eigentlich ging.

4
    Frankfurt am Main
     
    »Ich seh’ da keinen weiteren Ermittlungsbedarf.« Karen Stark schwenkte die Aktentasche vor und zurück und marschierte noch ein bißchen schneller. Ein bißchen zu schnell für den Kollegen Wenzel, der neben ihr herging und, wie sie nicht ohne Befriedigung feststellte, langsam in Atemnot geriet.
    »Ich bitte Sie,

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