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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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man ihn – fälschlich – als Päderasten und Pornofreund denunziert hatte. Von solch einem Vorwurf erholte sich erfahrungsgemäß niemand mehr, der in der Öffentlichkeit etwas gelten wollte.
    »Setz dich«, sagte Sonnemann und bot ihm ein Zigarillo an, was Hans dankend ablehnte. Er traute sich auch nach drei Jahren noch nicht, Sonnemann zurückzuduzen.
    »Kaffee?« Becker schüttelte den Kopf.
    Der Leiter des Berliner Büros lehnte sich zurück, legte das massige Kinn in Falten und musterte ihn. »Also schlechte Nachrichten.«
    »Ganz schlechte.« Becker reichte ihm die beiden Blätter, das eine ein sauberer Computerausdruck, das andere ein Gekrakel auf kariertem Papier, abgerissen von einem der kleinen Spiralblöcke, die der Redaktionsleiter – ein Mann der alten Schule – bevorzugte.
    Die dpa-Meldung las Sonnemann mit breitem Grinsen. »Das sind doch endlich mal gute Nachrichten«, sagte er. »Aber was hat das mit …« Dann las er die handschriftliche Notiz. Plötzlich regte sich kein Muskel mehr in seinem Gesicht.
    »Das hier«, sagte er und tippte mit dem Zeigefinger auf das karierte Blatt Papier. »Das hier ist gefälscht.«
    Becker nickte.
    »Und das hier?« Sonnemann hielt den Computerausdruck hoch.
    Hans nickte wieder.
    Sonnemann runzelte die Stirn. »Und das heißt …?«
    »… unsere Bunge-Story basierte auf einer gefälschten dpa-Nachricht und auf einer gefälschten Anweisung, daraus was zu machen.«
    »Und auf der Blödheit eines Journalisten, den man teeren und federn und zur Tür hinausjagen sollte.« Sonnemanns Stimme war ganz ruhig geworden.
    »Bleibt die Frage, wer ihm den Krempel auf den Tisch gelegt hat.« Auch Becker sprach plötzlich verhalten, so als fürchte er, man könne sie belauschen.
    Sonnemann klopfte mit dem Zeigefinger die Asche von seinem Zigarillo und sah zum Fenster hinaus. »Wer will uns schaden?« fragte er leise.
    Frau Novak steckte den Kopf zur Tür hinein. »Jetzt nicht!« brüllte Sonnemann, und für einen Moment war Hans beruhigt: Solange der Alte brüllte, war alles nur halb so schlimm. Aber Sonnemann war schon wieder ruhig geworden.
    »Wer war das Schwein? Und was wollte er erreichen?« Noch in der höchsten Wut blieb der Büroleiter Chauvinist – oder Kavalier, wie man’s nimmt, dachte Becker. Auf einen weiblichen Täter kam er erst gar nicht.
    Sonnemann drückte den Zigarillo aus, als setze er dem Fälscher höchstpersönlich den Daumen aufs Auge. »Find das raus, Hansi«, sagte er schließlich. »Du bist der einzige in diesem Laden, der denkt, bevor er schreibt.«
    »Und – was machen wir mit Bunge?«
    Der Alte hob die spärlichen Augenbrauen. »Bunge? Der ist tot.«
    »Ich meine – müßten wir nicht eine Richtigstellung …?«
    Sonnemann hustete, als ob er sich verschluckt hätte. Fast wäre Becker aufgestanden, um ihm auf den Rücken zu klopfen. Als der Alte sich wieder beruhigt hatte, war seine Stimme vor Heiserkeit noch leiser geworden.
    »Eine Richtigstellung? Bei unserer Auflage? Bist du wahnsinnig geworden?«

7
    Frankfurt
     
    Karen Stark drückte die Wohnungstür leise, aber fest hinter sich ins Schloß und schüttelte ungläubig den Kopf. Sachen gab’s, die gibt’s nicht. Erst hatte sie geglaubt, Jehovas Zeugen vor sich zu sehen – so durchdrungen von ihrer Mission wirkten die junge Frau und ihr etwas älterer Begleiter. Aber die beiden hatten früh um halb acht nicht über die Bibel reden wollen, sondern über … Worüber eigentlich?
    »Wollen Sie Ihren Lebenshorizont erweitern?« hatte die Frau gefragt und mit großen braunen Augen Karen unverwandt angesehen. »Danke, heute nicht«, hätte Karen am liebsten geantwortet, wenn tief eingegrabene Höflichkeit sie nicht davon abgehalten hätte. Warum bloß hatte sie die Tür geöffnet?
    Sie seufzte, schlug den Bademantel fester um die Leibesmitte und ging wieder in die Küche, in der sie schon seit eineinhalb Stunden saß, Milchkaffee trank und über Katalogen brütete. Warum wohl – aus ebenso tief eingegrabenem Pflichtgefühl, natürlich. Es konnte ja nur ein wichtiger Grund sein, der jemanden veranlaßte, so früh schon bei ihr zu klingeln. Die »Ökumenische Aktion«, wie der Mann sie mit ernster Miene vorgestellt hatte, gehörte nicht in diese Prioritätenliste.
    »Was die sich alles ausdenken«, murmelte Karen vor sich hin und stellte die Espressomaschine an.
    »Das Leben in der Anonymität der Großstadt«, hatte die junge Frau gesagt.
    »Einsamkeit und Verlassenheit«, war es wie ein Echo

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