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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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von ihrem Begleiter gekommen.
    »Wir können etwas tun!« Die junge Frau hatte gestrahlt bei dieser Aussage. »Sie auch!«
    Karen schnaubte und goß Milch in die große Henkeltasse. Sie hatte wie betäubt dagestanden und blöde genickt. So wie man eben nickt, wenn einem frühmorgens jemand gegenübersteht, der so fanatisch an das Gute glaubt.
    »Wenn einer von uns den ersten Schritt tut …« Der Mann hatte beschwörend die Hand gehoben. »Wenn einer den Anfang macht …«
    »Machen Sie mit bei der ökumenischen Aktion ›Lade deinen Nachbarn ein‹!« hatte die junge Frau schließlich feierlich deklamiert. Karen wartete, bis der heiße Dampf die Milch aufgeschäumt hatte, stellte die Tasse auf den Rost und drückte den Hebel der Espressomaschine herunter.
    Sie hatte ungläubig nachgefragt. Aber die beiden meinten es nicht nur ernst, sondern ganz und gar wörtlich.
    »Ihren Nachbarn!« hatte die junge Frau wiederholt und mit dem Daumen nach links gewiesen.
    Links, in dem kleinen Zweizimmerappartement neben ihrer eigenen, großen Wohnung, hauste Harald Weiss. Niemand würde auf die Idee kommen, ihn zu irgend etwas einzuladen.
    Sie hatte trotzdem genickt, »Gute Idee!« gesagt und die beiden mit der Behauptung hinauskomplimentiert, sie müsse jetzt zur Arbeit. Fast traurig hatte der Mann »… in der Anonymität der Großstadt …« gemurmelt und »Einsamkeit statt Geborgenheit …«, bevor die beiden weitergezogen waren. Sie hatte sie nebenan klingeln gehört, als sie die Tür zuzog. Niemand würde ihnen aufmachen. Selbst wenn er da wäre, würde Harald Weiss sich verleugnen. Das war sein Lebensprinzip.
    Vor ein paar Jahren hatte sie ihn Marion gegenüber zum ersten Mann erklärt, der sich die Auszeichnung »Armes Opfer der Frauenbewegung« redlich verdient hätte.
    »Er ist in jeder Hinsicht ein armes Schwein.«
    »Sooo?« hatte Marion gefragt und sie von schräg unten angeblinzelt – ihre beste Freundin liebte es, den Größenunterschied zwischen ihnen beiden möglichst deutlich hervorzuheben. Wenn es ja nur die Größe wäre, dachte Karen und kniff sich in die Seite.
    »Sie nimmt ihn systematisch aus.«
    »Aha?« Marion hatte völlig mitleidlos ausgesehen.
    »Er schuftet von morgens bis abends, damit sie sich nicht einschränken muß. Sie und das Kind. Dabei hat sie ihn verlassen …«
    »Ich dachte, das Verschuldensprinzip sei abgeschafft?« Marion konnte von tückischer Unschuld sein.
    Fakt ist, dachte Karen und nahm ihre Tasse mit zum Küchentisch, daß Harald Weiss sich von seiner Geschiedenen nach Strich und Faden ausnehmen ließ. Sie erpreßte ihn mit einer nie versagenden Waffe: mit dem Kind, das sie nur dann am Wochenende zum Vater ließ, wenn der vorher auf den Brustwarzen zu Kreuze gekrochen war.
    Karen hatte jahrelang jeden Ehekrach der beiden zwangsweise mitangehört – und das Elend des schließlich Verlassenen war unübersehbar gewesen. Vor zwei Jahren hatte sie Weiss in einem geradezu verzweifelten Zustand angetroffen. Er hatte den Kleinen seit Monaten nicht gesehen. Als sie Tage später nach ihm schaute, weil sie sich als gute Nachbarin Sorgen machte um den Mann, hatte er die Tür nur einen Spalt weit geöffnet und mit beseligtem Ausdruck auf dem Gesicht »Pschscht, er schläft!« gesagt. Seither hatte sie ihn nicht wieder gesehen.
    Nur das Kind war unüberhörbar, wenn es denn zum Vater durfte, schätzungsweise alle vier Wochen – der Bub veranstaltete regelrechte Tobsuchtsanfälle. Wahrscheinlich hatte der Kleine mittlerweile gelernt, wie er seinen schuldbewußten Vater am geschicktesten erpreßte. Harald Weiss war immer ungeselliger geworden. Heute schien er nur noch seine Arbeit zu kennen und die seltenen Besuche des Jungen, der seinen Erzeuger wahrscheinlich in dem Maße zu verachten lernte, in dem der sich seinem Kind unterwarf.
    »Lade deinen Nachbarn ein«, murmelte sie. »Mit mir nicht.«
    Und die Alternative zu Harald Weiss? Sollte sie etwa Dieter Stein einladen, den Mieter der Parterrewohnung? Karen schüttelte sich.
    »Frau Stark, wenn ich Sie bitten darf, Ihre Joggingschuhe schon unten an der Haustür auszuziehen? Der Schmutz …« Stein war in seiner Funktion als Hausmeister für den makellosen Zustand des Treppenhauses zuständig. Zu Anfang hatte sie versucht, mit ihm zu argumentieren. Aber jeder Einwand war abgeprallt an seinem unbewegten Gesicht mit den wachsamen Augen und der spitzen Nase.
    »Bitte!« hatte er gesagt, was einem Befehl gleichgekommen war.
    Und Frau Petzold? Die

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