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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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merkwürdig, wie sich nach der verbotenen Lust prompt das schlechte Gewissen in seine Träume einschlich. Er machte sich rabenschwarzen Kaffee, beschloß, die nötigen Aufräumarbeiten in seiner Wohnung ein weiteres Mal vor sich herzuschieben, zog sich an und ging ins Büro.
    Sie waren ihm sowieso am liebsten, die Samstage und Sonntage und Feiertage, an denen niemand den Fuß ins Büro setzte – nur Leute, die sich so heimatlos fühlten wie er. Auch wenn Sonnemann seine Befehle nur im Traum gegeben hatte und Hans für eine Gegendarstellung nicht zuständig war – in einem Punkt wies der Traum den richtigen Weg. Wenigstens die Ermittlungsbehörden sollte man informieren. Auf der CD-ROM des »Oeckl«, dem Handbuch für alle Zweifelsfälle, fand er die Telefonnummer der Frankfurter Staatsanwaltschaft.
    »Wissen Sie, was heute für ein Wochentag ist?« fragte ein mürrischer Mann in der Telefonzentrale.
    »Stimmt es, daß in hessischen Strafverfolgungsbehörden der wöchentliche Dienstschluß schon donnerstags um zwölf Uhr mittags stattfindet?« fragte Becker zurück.
    Der Mann brummelte Unverständliches.
    »Ich will ja nur eine Faxnummer von Ihnen.« Becker versuchte be gütigend zu wirken. »Und die zuständige Person in der Abteilung für …« Ja, für was? In welches Ressort fiel eigentlich ein durch eine Falschmeldung in der Zeitung ausgelöster Selbstmord? »… Kapitalverbrechen«, sagte er mit fester Stimme.
    »Also 80JS«, korrigierte ihn der mürrische Mensch, nannte ihm eine Nummer und einen Namen. Dr. Manfred Wenzel.
    Hans bedankte sich artig und legte auf. Dann löschte er die Kennung aus seinem Computerfaxprogramm, um keine elektronischen Spuren zu hinterlassen, und setzte einen Brief an die Frankfurter Staatsanwaltschaft auf.
    »Sehr geehrte Damen und Herren«, schrieb er vorsichtshalber. Wer weiß, ob die Auskunft, die er erhalten hatte, auch richtig war.
    »Der Bundestagsabgeordnete Dr. Alexander Bunge, Wahlkreis Frankfurt am Main, ist Opfer einer Falschmeldung geworden. Dem ›Journal‹, das die entsprechende Meldung abgedruckt hat, liegen keinerlei Beweise dafür vor, daß Bunge sich über das Internet mit Kinderpornographie versorgt hat.«
    Das mußte genügen. Daß er das Fax ohne Kennung oder Namen abschickte, würde ihn zwar nicht lange schützen – und es war gut möglich, daß Sonnemann, der nur im Traum so milde war, ihm dafür die rote Karte zeigte. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah hinaus durchs Fenster auf die taubenkotbekleckerte Wand des Lichtschachts.
    Aber seltsamerweise schreckte ihn dieser Gedanke nicht – ihn, den sonst viel zuviel erschreckte. Hans Becker spürte plötzlich ein Gefühl der Befreiung in sich hochsteigen. Nach einigem Nachdenken analysierte er es als die Befriedigung, die mit der Gewißheit verbunden ist, das Richtige getan zu haben.

6
    Frankfurt am Main
     
    Karen rückte ihren Caféhausstuhl ein Stück zur Seite, damit sie noch eine Weile länger in der warmen Septembersonne saß, nahm einen Schluck Milchkaffee und gabelte sich ein Stück Pflaumenkuchen in den Mund. Trotz des Wetters und der Gegenwart von Marion hatte sie schlechte Laune.
    Sollte sie noch ein zweites Stück bestellen? Für die Seele? Und damit die liebe Mutter auch beim nächsten Besuch wieder über ihre Figur meckern konnte?
    Der Gedanke daran verdarb ihr den Appetit. Mit spitzen Fingern schob sie den Teller mit dem Rest vom Pflaumenkuchen von sich.
    »Erzähl mir nicht, daß du schon wieder an deine Mutter denkst!« Marion konnte sich sichtlich nicht entscheiden, ob sie belustigt oder entgeistert sein sollte.
    Karen ärgerte das. Eine Freundin war dazu da, daß sie verstand – und zwar alles. »Was sonst? Ich muß sie schließlich am Wochenende besuchen.«
    »Sie ist bald siebzig!« Marion ließ den Kaffeelöffel geräuschvoll auf den Teller fallen.
    »Na und?« War das vielleicht eine Entschuldigung? »Alter schützt vor Bosheit nicht.«
    »Und manche Töchter werden niemals erwachsen. Wie kannst du das alles noch so ernstnehmen!«
    Karen wollte ernst- und übelnehmen. »Weißt du, was sie zu meinem neuen Kleid gesagt hat, als ich sie vor zwei Wochen besucht habe?«
    Marion guckte schicksalsergeben.
    »Gar nichts hat sie gesagt. Mich gemustert, mit diesem kritischen Blick, von oben nach unten. Und nur wissend gelächelt, als mein Vater rausplatzte mit: ›Man soll auch zeigen, was man hat, Karen!‹«
    Marion prustete los.
    Fast hätte Karen mitgelacht. Marion schien von

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