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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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hatte er sich beim Filetieren von Gottfrieds Stallhasen in den Zeigefinger geschnitten. Er zog das zweite Pflaster etwas stärker an, als angenehm war, damit die Bluterei endlich aufhörte. Dann begann er die Möhren zu schälen und die Echalotten zu pellen. Als ihm die Tränen aus den Augen tropften, merkte er, wie wütend er wirklich war. Sie hatte ihn ausgehorcht, die scheinheilige Schlange. Karen, seine älteste, seine einzige wirkliche, seine beste Freundin hatte ihn hinters Licht geführt. Nicht anders konnte er sich das Telefongespräch von vorhin erklären.
    Er nahm die Schere vom Haken und ging vor die Tür. Die Haustür krachte hinter ihm zu. Gut so, dachte er. Recht so. Er würde am liebsten noch ganz andere Türen hinter sich zukrachen lassen. Zum Beispiel die zu einer langen Freundschaft.
    Er schnitt Büschel aus dem Rosmarin und pflückte drei Lorbeerblätter vom Baum. Ein flüchtiger Blick auf das Gemüsebeet zeigte ihm, daß er dringend die letzten Bohnen ernten mußte. Und zwei der grünweiß gestreiften Zucchini waren schon wieder zu gigantischer Größe aufgeschwollen.
    »Was weißt du über Annes Reaktion auf den Tod ihres Vorgängers?« hatte Karen gefragt, in munterem Tonfall, als unterhalte sie sich mit ihm über seine bevorzugte Zahnpastamarke. Er hatte ihr die Wahrheit gesagt. Er hatte ihr gesagt, wie wenig erschüttert Anne damals auf ihn gewirkt hatte.
    »Als ob sie – damit gerechnet hätte?«
    Karen, die Scheinheilige. Und er Dorftrottel hatte brav geantwortet.
    »Nicht direkt.«
    »Es hat sie nicht weiter erstaunt, vielleicht?«
    Er hatte ausweichend geantwortet. Aber er hatte ihr auch nicht widersprochen.
    Bremer ließ die Haustür wieder hinter sich zukrachen, als er ins Haus zurückging. Beim nächsten Mal würde Marianne besorgt das Fenster öffnen und ihn fragen, ob bei ihm noch alles richtig sei. Dann ließ er Öl und Butter im Bräter heiß werden. Es störte ihn nicht, daß ihm heißes Fett auf Hände und Unterarme spritzte, während er die Kaninchenbeine scharf anbriet. Es war, als müsse er sich selbst bestrafen für den Verrat an Anne.
    Verrat an Anne? Bremer hätte sich fast wieder in den Finger geschnitten, als er die geschälten Petersilienwurzeln wütend zerhäckselte. Oder Annes Verrat? Mit den wesentlichen Dingen hatte Karen zwar bis zum Schluß hinter dem Berg gehalten, aber eines hatte sie ihm ziemlich bald gesteckt: daß Anne ein Verhältnis gehabt hatte – mit einem Journalisten. Wie passend. Und wie karriereförderlich.
    Bremer warf die Petersilienwurzeln, die Möhren, Echalotten, Oliven und eine quer durchgeschnittene Knoblauchknolle in den Bräter zu den Hasenbeinen und ließ auch sie anbraten.
    Weiber! Die einen waren hinterhältig und die anderen karrieregeil.
    Seine Wut auf beide Arten von Frauen wollte nicht kleiner werden. Das Zischen, mit dem die Dampfwolke hochschoß, als er die Keulen und das Gemüse mit Rotwein ablöschte, tat gut.
    Verdammt sei Karen. Hatte sie nicht ganz schön zugenommen in letzter Zeit? Kühlte sie deshalb ihr Mütchen an den hübscheren Frauen? Und verdammt sei Anne. Erst zum Schluß war Karen rausgerückt mit ihrem Verdacht.
    »Es sieht so aus, als ob Annes Freund dafür gesorgt hat, daß der Abgeordnetenstuhl frei wurde, auf dem sie jetzt sitzt.«
    »Was für ein Gentleman!« hatte er geantwortet.
    »Was, wenn sie davon gewußt hat?«
    Was, wenn sie davon gewußt hat? Der Gedanke kreiste durch sein Hirn und hieb mit spitzen Krallen Wunden in alles, was ihm hoch und heilig war. Anne Burau, zum Beispiel – jedenfalls bis vor circa zwei Stunden. Bremer legte den Deckel auf den Bräter und stellte ihn in den Ofen, Gas Stufe 2. Gottfrieds Karnickel, die er das Jahr über mit feinstem Gras und leckersten Küchenabfällen fütterte, brauchten nicht länger als eine halbe Stunde in der Röhre. Er hatte Hunger, obwohl ihm der Appetit vergangen war.
    Er stellte die Küchenuhr an und ging hinaus in den Garten. Die Hortensien leuchteten in vornehm verblaßtem Rot, der mannshohe eisblaue Eisenhut schwankte im warmen Abendwind, und über seinem Kopf brummte ein Motorsegler gen Osten. Er setzte sich auf die Gartenbank, streckte die Beine aus und starrte vor sich hin. Das Geräusch tanzender Katzenpfoten ließ ihn aufblicken. Neben der Bank spielte die große Schwarzweiße mit einer Maus, nahm sie zwischen die Zähne, ließ sie wieder fallen, wendete sie mit der bekrallten Samtpfote hin und her, wie der Koch die Bratwurst, und ließ das

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