Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
Zigarette und nahm zwei tiefe, gierige Züge. »Ein Einzelgänger. Intelligent, hinterhältig. Zwangsneurotiker, wenn Sie mich fragen. Frauenfeindlich.«
    Karen war verblüfft über diese Kurzanalyse, die keinen Widerspruch zu dulden schien. »Wissen Sie etwas über sein Verhältnis zu Anne Burau?«
    Menzi zog die dunklen Augenbrauen hoch. »Frauenfeindlich – sagte ich das nicht?«
    »Und was heißt das?«
    »Er hat sie erst angemacht und dann fallenlassen. Er macht das gern. Das ist sein Stil.« Menzi schnippte die Asche von ihrer Zigarette, als ob sie die Fernzündung einer Dynamitladung betätigte. Sie sprach offenbar aus persönlicher Erfahrung.
    »Er quält gern. Er hat alle gequält. Lilly. Thomas. Besonders Hansi.«
    »Auch Sie?«
    »Auch mich.« Isolde Menzi schien Karen durch den Zigarettenrauch hindurch anzublinzeln.
    »Aber mir macht das nichts.«
    Karen zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Ich laß mich gern quälen«, sagte die Journalistin und verzog den großen Mund zu einem spöttischen Lachen.
    »Und wie hat Zettel Hans Becker gequält?« Erstaunt sah Karen, wie Isolde Menzis Gesicht weich wurde.
    »Becker war das Gegenprogramm zu Peter Zettel. Hansi war absolut rührend. Er war ein Mensch …« Wieder zog Isolde Menzi an ihrer Zigarette, legte den Kopf mit inszenierter Nachdenklichkeit in den Nacken und sah den Rauchwölkchen hinterher.
    »Er war ein Mensch, der völlig uneitel war. Ehrlich. Loyal. Der sich ausnutzen ließ, wenn man nur an sein Pflichtgefühl und an seine Wahrheitsliebe appellierte.«
    Sie setzte sich auf und sah Karen an: »Und der dumme Kerl hatte Angst vor mir.« Ihre Stimme klang, als ob sie das nie begreifen würde.
    »Und wer erschießt so jemanden?« fragte Karen nach einer Weile.
    »Peter Zettel, oder?« sagte die Menzi in aller Gemütsruhe.
    »Das würde passen.«
    Karen öffnete das Fenster, als die Journalistin aus dem Zimmer war, und sog die milde Septemberluft in tiefen Zügen ein. Einen Moment lang sehnte sie sich nach einer Zigarette – nach diesem Kick, der sich nach dem ersten Zug einstellte. Und der nach mehr Nikotin verlangte, nach Nikotin, Kaffee und Cognac. Nach so viel Nikotin, daß sie spätestens nach drei Wochen wieder in ihre alten Klamotten passen würde. Dann schloß sie das Fenster wieder.
    Die Menzi machte einen hellwachen Eindruck. Einerseits. Andererseits – irgend etwas gefiel ihr an der Frau nicht. Vielleicht das Laute, das Forcierte. Das Besserwisserische.
    Drei Minuten später kam Lilly E. Meier in den Konferenzraum, unauffällig, geräuschlos, uneitel – ganz anders als Isolde Menzi. Karen kannte Lillys Namen, hatte von ihr gelesen, hatte sie auch schon mal im Fernsehen gesehen – und auf den Anzeigen, in denen ihr Bild um Spenden für ein internationales Kinderhilfswerk warb. Sie hatte sich Lilly E. Meier ganz anders vorgestellt als die Frau, die sie vor sich sah: Die Meier war zart, fast winzig, und trug Jeans und ein Männerjackett über der karierten Bluse. Sie war ungeschminkt, hatte die dunkelblonden Locken streng nach hinten gekämmt und auf einer Seite mit einem Kamm zusammengehalten. Sie sah älter aus, als sie sich gab.
    »Es ist schrecklich. Ich vermisse ihn so«, sagte sie zur Begrüßung.
    Karen bot ihr einen Platz an.
    Lilly setzte sich, zog ein zerknülltes Papiertaschentuch aus der Jackettasche und schnaubte hinein. »Sie müssen den Verbrecher finden.«
    Lilly E. Meier war die Frau fürs Herz. Ihre Geschichte von Burschi, dem mit dem Fall der Mauer arbeitslos gewordenen Grenzerhund, war selbst Karen ans Gemüt gegangen – ganz zu schweigen vom Schicksal des durch Lilly bundesweit bekannt gewordenen kleinen Mehmet, dem der Krieg die ganze Familie genommen hatte.
    Lilly war ein anderes Kaliber als die kühle, analytische Isolde Menzi. Karen schlug das halbbeschriebene Blatt auf ihrem Block nach hinten und schrieb »Lilly E. Meier« oben auf die neue Seite. Dann sah sie auf. Die Meier guckte sie aus grauen Augen an, die keineswegs so leidgeprüft aussahen, wie ihre Stimme klang.
    Auch sie wußte nicht, wo sich Peter Zettel aufhielt, und hatte keine Ahnung, wie der Bericht über Alexander Bunge ins Blatt gekommen war. In Fragen der psychologischen Einschätzung wich sie indes auffallend von Isolde Menzi ab.
    »Anne Burau? Peter war heiß verliebt in sie.« Und über Zettels Charakter sagte sie: »Na ja – er nimmt es vielleicht mit der Wahrheit nicht immer so genau. Da ist er ganz anders als Becker.«
    »Ist das nicht –

Weitere Kostenlose Bücher