Nichts für Anfänger - Roman
war, und dass er ein ungewolltes Baby war und sich sein ganzes Leben lang unglaublich damit abgemüht hat, herauszufinden, wer er ist und warum er hier auf der Erde ist. Aber er kann perfekt Gitarre spielen, sagt sie, und ist auf jeder Party der Beliebteste von allen. Und in seinem Job ist er ein richtiger Zauberer, er ist so eine Art Karriereberater, Pfarrer und Seelenklempner in ei nem. Die ganzen Jugendlichen, die von Irland aus rüberkommen und pleite und am Arsch sind, marschieren auf direktem Weg in Tante Grace’ Büro und hoffen auf eine steile Karriere als Bürohilfe oder Schreibkraft mit gelegentlichem Kaffeekochen. Und während sie das Berufliche regelt und ihnen alles über Steno und Worte pro Minute beibringt und ihnen eine neue Frisur und einen Anzug bezahlt, was auch bedeutet, dass sie für ihre Mühen einen ordentlichen Anteil ihres künftigen Ge halts einsackt, kümmert sich Deano um den Rest. Sagt ihnen, dass sie etwas Besonderes in sich tragen und einzigartig sind und dass das, was sie hier drüben tun, Teil ihres Lebensweges ist und dass sie sich nicht schämen müssen, dass sie von zu Hause weg sind, sondern nach vorn blicken sollen auf die Chancen, die England ihnen bietet. Fiona sagt, dass Deano sich auf netteste Art und Weise ihrer angenommen hat, seit sie angekommen ist, und dass das Ganze Teil von Tante Grace’ Notfallplan zur schnellstmöglichen Rettung unserer Familie war.
Ich schlafe in Deanos Bett in einem ungenutzten Zimmer, in dem ansonsten nur ein riesiges, gerahmtes Beatles-Poster an der Wand hängt, auf dem Rubber Soul steht, und ein winziges Fenster geht hinten auf den asphaltierten Hof voller Mülltonnen und alten Leitern. Saidhbh muss bei Fiona schlafen. Wir haben niemanden darum gebeten oder darüber geredet, es war offensichtlich, dass wir Tante Grace das Ganze nicht unbedingt auf die Nase binden müssen, wobei wir auch niemandem gesagt haben, dass es mit Saidhbh und mir aus und vorbei ist und wir uns für immer im Idiotenfreundemodus befinden. Deano sagt, ich soll mir wegen ihm und seinem Bett keine Gedanken machen, weil sich einer seiner Freunde aus der »Gemeinschaft« bereit erklärt hat, ihn eine Nacht bei sich ein zuquartieren. Ich frage nicht nach, aber er fängt trotzdem an, mir von »der Gemeinschaft« zu erzählen, dass sie ein großartiger Haufen Durchschnittstypen sind, alle auf der Suche, je der Einzelne von ihnen. Ohne Gemeinschaft, sagt er, wäre er längst am Ende. Ich sage noch immer nichts. Er erzählt mir die ganze Geschichte dieser Gemeinschaft, wie sie oben in Islington dieses alte Kirchengebäude gekauft haben, als plötzlich Fiona reinplatzt und ihm das Wort abschneidet und sagt, dass es jetzt Schlafenszeit ist und kleine Jungs ihren Schönheitsschlaf brauchen. Deano nennt mich »kleiner Mann« und schleicht mit den Worten aus dem Zimmer, dass er Tante Grace hilft, die Mülltonnen rauszuschieben.
Fiona und ich reden eine Weile. Über zu Hause, über Dad und darüber, wie verrückt alles in letzter Zeit war. Und obwohl es genau wie früher ist und mir nur das Poster mit dem geparkten Porsche an der Wand über mir fehlt, bin ich die ganze Zeit ziemlich still, und irgendwie kann ich nicht mehr. Fiona, die es total draufhat, mir mitten ins Herz zu sehen, rutscht auf der Decke näher an mich heran und sagt mir, ich soll mir keine Sorgen machen und dass jeder mal einen Fehler macht. Sie streichelt mir an der Seite über den Kopf, ums Ohr herum, und nennt mich ihren kleinen Jungen. Ich schmelze sofort dahin und muss übermenschliche Kräfte aufbringen, um nicht laut loszuheulen und meine Arme um sie zu schlingen und sie zu bitten, dass sie mich bitte auf der Stelle nach Hause nach Irland mitnimmt und mich für immer und ewig im Haus von Mam und Dad einschließt.
Stattdessen sage ich ihr, dass ich müde bin und einfach ein bisschen Schlaf brauche. Ich rolle mich von ihr weg in Richtung Wand, und sie pikst mir unsanft in den Rücken. Ey!, sagt sie. Hast du nicht was vergessen?
Oh, sage ich und lehne mich hoch zu ihr für einen Gutenachtkuss.
Sie verzieht das Gesicht. Nicht ich, du Idiot! Was ist mit ihr!
Sie nickt mit dem Kopf zur Seite in Richtung Schlafzimmer nebenan. Ganz automatisch stehe ich auf, ohne viel Gefühl wie ein Biddy-biddy-biddy-Zwerg, und schlurfe durchs Zimmer, zur Tür raus, und lehne mich gegen Saidhbhs Türpfosten. Ich klopfe. Nichts. Ich öffne die Tür.
Bei Saidhbh ist es schon dunkel. Sie liegt zusammengerollt auf einer Matratze auf
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