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Nichts für Anfänger - Roman

Nichts für Anfänger - Roman

Titel: Nichts für Anfänger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Maher
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passiert und als hätte er nichts dazu zu sagen. Doch Mam sagte den Kaffeefrauen, sie hätte schwören können, dass gerade ein weiteres kostbares Licht in seinen Augen erloschen war.
    Gary schrieb, dass meine Mam an dieser Stelle ein wenig geweint hat, doch alle Mams haben sich um sie geschart und gegluckt und ihr gesagt, dass Dad das schafft, und plötzlich waren sie sich ganz sicher, dass es vermutlich besser ist, wenn ich drüben bei Tante Grace bleibe, bis Dad den Krebs ein für alle Mal los ist. Einfach damit Mam sich um sich selbst kümmern kann. Sie sagten, für mich blieb noch jede Menge Zeit, wenn es Dad wieder besser ging. Und dann kicherten und glucksten sie zusammen, als sie von dem großen Tag träumten, an dem Dads Kräfte wieder zurückkamen und er sich mühelos den Bambusstock schnappen konnte, um mich für meine Sünden grün und blau zu prügeln.
    Natürlich ist es schwer zu sagen, wie gaga Saidhbh wirklich geworden ist, weil sie wegen der Belastung, der sie diese ganze Erfahrung ausgesetzt hat, eigentlich kaum noch redet.
    Dank der Ins-Schlafzimmer-Einschließerei haben wir sie in den ersten Tagen kaum zu Gesicht bekommen. Und die hat sie nur für ein paar kurze, schluchzige Anrufe bei ihrer Mam zu Hause und einige Schnellfeuergänge für Toast oder einen Apfel in die Küche unterbrochen. Das hat sie tagsüber gemacht, wenn die anderen nicht zu Hause waren, und ich habe oft versucht, sie auf der Treppe abzufangen. Ich saß zum Beispiel mit einer Schüssel Frosties auf dem braunen Jeanssitzsack in Tante Grace’ Fernseherzimmer, und die Tür zum Flur stand sperrangelweit auf, und ich las im Ladybird -Reiseführer London alles darüber, wie das große Feuer in einer Bäckerei auf der witzig klingenden Pudding Lane ausbrach oder dass Dick Whittington ein richtig lebendiger Bürgermeister gewesen ist und nicht nur ein Typ aus dem Märchen, oder dass es nichts Tolleres gab als einen Ausflug zur St. Paul’s Cathedral oder einen Besuch bei Madame Tussaud und dass man aufpassen muss, wenn man sich bei Madame Tussaud an einen Aufseher wendet, denn, so warnte mich das Buch, er könnte ja aus Wachs gemacht sein! Wobei ich mich irgendwie merkwürdig fühlte. Aber nicht so merkwürdig wie das Geräusch, wenn Saidhbh in ihrem dünnen Mickymaus-Nachthemd die Treppe runterzischte, das ihr hinterherwehte, und sie an der geöffneten Tür vorbeitrieb wie eine besonders gepeinigte Windböe. Sie legte zwischen blitzschnellen Klogängen und schluchzigen Anrufen eine kleine Snackpause ein.
    Bei diesen Gelegenheiten ließ ich das Buch fallen und sprang aus dem Sitzsack auf und schoss zur Tür. Doch am Ende stand ich einfach wie angewurzelt im Türrahmen und streckte schüchtern eine Hand nach ihr aus, als sie vorbeilief, als würde ich versuchen, ein Gespenst zu fangen. Ich mit meinen Millionen unfertigen Worten auf den Lippen. Sie wurden alle von der Angst blockiert und vom Katzenkrankenschwestermodus und von der Notwendigkeit, genau das Richtige zu sagen, zu tun, das sie zu mir zurückbringen würde und zu uns und in unser aller Leben.
    Am Ende hat Deano Saidhbh aus dem Zimmer rausge quatscht. Er saß ein ganzes Wochenende lang an ihrer Tür und hat gar nicht so viel gesagt, nur dass das Universum einen Plan hatte und Saidhbh sich nun entspannen kann, weil sie von Güte und Licht umgeben ist. Während seiner Schicht am Sonntagmittag hat er ihr eine Hammergeschichte erzählt, die vermutlich am Ende zum Erfolg geführt hat, nämlich dass er mal aus Versehen einen Mann blind gemacht hat während seiner düsteren Phase drüben in Irland, richtig mit einer kaputten Flasche und so. Und dass er fast jeden Tag an diesen blinden Kerl denkt, genau wie Saidhbh jeden Tag an ihr Baby denken muss. Aber der Unterschied ist, sagt Deano, dass er es geschafft hat, sich selbst dafür zu vergeben, dass der Typ zu Hause in Irland jetzt blind ist. Und genau so muss auch Saidhbh sich selbst vergeben, dass sie das mit der Abtreibung fast durchgezogen hätte und das irgendwie zum Tod ihres beinahe ersten Kindes geführt hat. Er redet schnell immer weiter, ganz offen und ehrlich, und sagt dann, ja, vielleicht hat das Kind die negativen Energien gespürt, die sich in der Abtreibungsklinik gegen es gerichtet haben. Und vielleicht hat das Kind dann beschlossen, der Menschheit fernzubleiben und noch am selben Abend zurück ins Himmelreich zu verschwinden und Saidhbh nur die Erinnerung an einen Klumpen Schleim zu hinterlassen. Doch selbst wenn das

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