Nichts für Anfänger - Roman
in ihrem biologischen Körper drin heilen und gleichzeitig ihre himmlische Seele anregen und motivieren, sich aufs Neue der Welt zu stellen, und ich könnte ihr helfen, ihren ehrlichen, ruhigen Frieden mit der Seele unseres toten Babys zu machen.
Oh ja, sagt sie und macht ein Gesicht, das wohl besagen soll: Keine Widerrede. Euer Baby ist ein äußerst spirituelles Wesen und im Himmel quicklebendig und mit Saidhbhs energetischen Strängen praktisch unauslöschlich verbunden. Es ist bei ihr, neben ihr, über und unter ihr. Was ich irgendwie schon mal im Gottesdienst gehört habe, aber Helen hat das Ganze noch mal neu erfunden.
An diesem ersten Abend halten Helen und ich eine grandiose Plauderstunde ab. Keiner in der Kirche kann glauben, dass wir uns kennen. Und sie sind noch immer schockiert darüber, wie Helen einfach ihren Schleier runtergerissen und »das Heilen gebrochen« hat, was ungefähr so ist, als würde man Waylean und Mestapheen in die Augen sehen und ihnen dann ohne ein Wort der Erklärung die Tür vor der Nase zuknallen. Helen stört das jedoch nicht im Geringsten, und stattdessen rennt sie zwischen den Tischreihen durch und sagt mir, dass sie mich sofort wiedererkannt hat, als sie mein Feld gesehen hat. Sie sagt, dass sie aurische Felder mit dem bloßen Auge sehen kann und jeder andersfarbige Felder hat, je nachdem, wie die Chakras sich in der Person bewegen. Bei einem gesunden Wurzelchakra ist ganz viel Rot im Feld. Beim Halschakra Blau, beim Milzchakra Gelb und so weiter. Sie verrät mir nichts über meine Farben und kichert nur, und ihr einziger Kommentar ist, dass mein Feld, na ja, wie soll sie das sagen, sehr markant ist.
Sie ist immer noch wunderschön. Selbst mit den Hockeynarben. Ihre Augen versprühen immer noch ein kristallklares Blau, wenn sie dich ansieht. Ihre Haare sind kürzer, aber immer noch wellig. Und die Narben, die wie dünne Spinnenbeine im Zickzack von ihrem Mund wegwachsen, machen ihr Aussehen nur noch interessanter. Als hätte sie eine Geschichte zu erzählen.
Sie sagt, dass sie gar nicht vorhatte, mit diesem ganzen Heilspaß anzufangen, aber dass sie dank der lenkenden Hände des Universums und Gaias hierhergefunden hat. Wenn sie Gaia sagt, macht sie eine kleine Verbeugung. Was irgend wie lustig ist, weil ich plötzlich nicke, als wäre ich auch ein großer Gaia-Fan. Wobei Deano mir später erklärt, dass Gaia nur ein anderer Name für die spirituelle Energie des Universums ist, was mich vermutlich tatsächlich irgendwie zum Gaia-Fan macht, aber auf jeden Fall erklärt, warum Obi-Wan Kenobi sich ans Herz packt, als Prinzessin Leias Heimat in die Luft fliegt, weil es so ist, als wäre der gesamte Planet gerade gestorben, und er garantiert auch eine riesige Seele hat, genau wie Gaia, und Obi-Wan ist genauso wie Serenity Powers und kann den ganzen magischen Kram sehen, der im Universum so vor sich geht, und deshalb ist er quasi persönlich verletzt. Daher die Herzschmerzen.
Helen sagt, dass es nach dem Hockeyunfall gar nicht gut für sie aussah. Und auch nachdem ihre Zähne wiederhergestellt und die Fäden aus ihren Backen gezogen worden waren, machte ihr das zermatschte Gesicht und alles an ihr selbst ziemlich zu schaffen, und sie hätte bestimmt einen psychischen Komplettzusammenbruch erlitten und wäre ins St John of Gods eingeliefert worden, wäre ihre Mutter nicht so eine patente Frau vom Land und total praxisorientiert, weil die hat sie direkt für einen achtwöchigen Kurs in Schönheitstherapie und Kosmetologie an der Kilcuman Tech eingeschrieben. Meine Augen werden etwas glasig, als sie Kosmetologie sagt. Ich denke an den dicken alten Mann mit dem Glasauge auf BBC 2, der die Sternenbeobachtungssendung moderiert, die Dad angeblich immer guckt, wenn er sich schlau fühlen will. Aber Helen sagt, dass es bloß um Make-up ging, und in den ersten Wochen war es ganz furchtbar, weil du dich jeden Tag im Spiegel angucken und deinen eigenen Kopf als Girl’s-World- Frisierkopf benutzen musstest, um eine Million ver schiedene Make-up-Techniken auszuprobieren.
Irgendwann hatte sie das Ganze mit viel Hilfe von den anderen Mädchen überwunden. Zwei von ihnen, zwei wunderbare junge Mädchen namens Bernie und Delores, waren ganz besonders toll darin, tonnenweise Füllung und Grundierung auf ihre Narben aufzutragen, und ab der vierten Woche hätte man nie vermutet, dass sie auch nur eine einzige Narbe hatte, geschweige denn ein Gesicht voll sich herumschlängelnder Zickzacklinien.
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