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Nichts für Anfänger - Roman

Nichts für Anfänger - Roman

Titel: Nichts für Anfänger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Maher
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Natürlich nur, schreibt Gary, wenn du überhaupt wiederkommst! Er sagt, dass er auf RTE 2 eine Sendung über Emigration geguckt hat, wo sie so uralte Dorfdeppen interviewt haben, die in den übels ten Londoner Stadtteilen wohnten. Die Hälfte von denen wa ren Alkis, und die andere Hälfte hatte schon ’nen Sprung in der Schüssel und lebte mutterseelenallein auf strenger Guinness-und-Käsesandwiches-Diät, aber alle sagten, dass sie sich selbst die immer gleichen Lügen auftischen: Bald komme ich nach Hause! Jede Weihnachten, wenn alle Feierlichkeiten vorüber sind und sie ihren ordentlichen Kater aus geschlafen haben, wenden sie sich an ihre Liebsten, und wenn sie dann gerade auf die Fähre nach London steigen, versprechen sie, dass sie bald für immer zurückkommen. Irland, so sagen sie, ist in ihrem Blut. Es macht aus ihnen, wer sie sind, und sie werden seine mystischen Ufer niemals verlassen.
    So ungefähr um die Zeit bekomme ich auch die erste Postkarte von O’Culigeen. Dass sie von ihm ist, weiß ich in dem Moment, als ich das Bild vorne drauf sehe. Nicht nötig, sie zu lesen. Da ist einfach dieses Bild von drei gruselig aussehenden Typen mitten im Dschungel, die so kleine Stöcke, wie dünne Stifte, durch die Nase stecken haben, und pelzige Hüte auf dem Kopf und mit Reißzähnen behangene Ketten auf der Brust. Sie tragen winzige Beutel vor ihren Pimmeln, aber ansonsten sind sie nackt, und man sieht alles. Typisch.
    Ich weiß also sofort, dass sie von ihm kommt, ohne auch nur hinten draufzugucken. Ich hebe sie vom Teppich auf und stopfe sie in meine Heiltasche, dann lasse ich den Rest der Post ganz lässig auf den Frühstückstisch fallen. Die Nachricht lese ich auf dem Klo in der Schule der Astralwissenschaften, und er schreibt, dass er nonstop an mich denkt und dass wir noch eine ernste Rechnung miteinander offen haben. Unterschrieben hat er mit VOC .
    Sofort wird mir übel. Ich denke an den John-Wayne-Film und dass O’Culigeen mit der offenen Rechnung garantiert meint, dass er wie John Wayne plant, sein letztes Versprechen wahr zu machen und mich zu töten. Die Postkarte ist seine Art, mir zu sagen, dass seine Versetzung in die Missionen von Papua-Neuguinea rein gar nichts daran geändert hat. Und dass von tausend nackten Männern umringt zu sein, die ihm Tag für Tag ihre Pimmelbeutel ins Gesicht schwingen, rein gar nichts ist im Vergleich zu dem Gedanken, mich mit seinen bloßen Händen zu erwürgen, diesmal aber richtig. Und dass ich gerne sooft ich will das Weite suchen kann, dank irgend so eines plappermäuligen Brieffreundes in Kilcuman gibt es für mich garantiert kein Entkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor er zu Ende bringt, was er vor einer Ewigkeit angefangen hat.
    Ich komme kreidebleich aus dem Klo gestolpert, direkt in Helen Mackers Arme. Sie kann sehen, dass ich völlig durchein ander bin, aber sie sagt kein Wort. Stattdessen liest sie mich. Sie hält mich auf Armlänge fest, sodass ich grade vor ihr stehe, und geht dann zwei Meter zurück. Sie schließt die Augen, holt tief Luft und lässt einfach ihre Augen aufklappen. Sie nimmt mich in sich auf, liest alles, alle sieben Chakras, alle zirkulierenden aurischen Felder, und schließt plötzlich wieder die Lider, als würde sie das Etui von ihrer Zauberbrille zuklappen. Ich seh schon, sagt sie mir, bevor sie festlegt, dass ich an diesem Nachmittag der zu Heilende sein und die Schwerstarbeit ihr überlassen soll. Dann zwinkert sie mir ein bisschen zu und gibt mir einen kleinen Stoß in Richtung Massagetisch.
    Mit mir und Helen läuft es super. Sie ist wie eine Freundin und eine Lehrerin und auch ein bisschen wie eine Mam und eine Schwester in einem. Und genau wie Fiona und Billy von Border Town ist sie einer der besten Menschen, die ich in London kenne. Wegen unserem Aufeinandertreffen bin ich total aufgekratzt und versuche, Fiona zu überreden, sich mit Helen zu treffen oder mich wenigstens mal mit dem Auto zur Schule zu bringen und einen ordentlichen Mädchenplausch über alte Zeiten mit ihr zu haben, als es noch hieß, sie beide gegen den Rest der Welt. Aber Fiona findet tausend Ausreden, dass sie bei Grace’s Angels zu viel um die Ohren hat oder zu müde ist, um bis nach Islington zu gurken. Aber eines Abends, nachdem sie eine Pulle Rotwein von Tante Grace geköpft hat, erzählt sie mir, dass es da noch einen anderen Grund gibt und ich es vielleicht verstehen werde, wenn ich älter bin, nämlich dass sich seit ihrer Kindheit

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