Nichts für Anfänger - Roman

können.
    Die anderen Irren sind hauptsächlich alt und hauptsächlich Männer mit schlechten Zähnen und zerzausten Haaren, wie eine riesige Pennergang in Schlafanzügen. Aber Saidhbh scheint das alles nicht zu bemerken, stattdessen verbringt sie ihre gesamte Zeit an einem Tisch in einem Raum ganz hinten auf der zweiten Etage, nämlich dem Kunstraum, umgeben von Pinseln und Paletten, wo sie kritzelt und zeichnet und die hartnäckigen Dämonen rauskleckst, durch die sie überhaupt erst hier gelandet ist. Und sie malt auch nicht mehr nur Bäume. Sie malt jetzt auch Augen. Jede Menge davon. Und riesig. Alles Nahaufnahmen. Sie sagt, dass die Krankenschwestern versprochen haben, alle ihre Bilder in einer Mappe zu sammeln, die sie mitnehmen kann, wenn sie entlassen wird. Und dann fügt sie mit einem irren Grinsen hinzu: Falls ich je entlassen werde!
    Das ist ganz offensichtlich ein Scherz. Wobei das bei Saidhbh manchmal schwer zu sagen ist. Weil manchmal ist sie so wie jetzt, wenn sie mit dem Kopf über dem Papier hängt und sich vor Konzentration auf die Lippe beißt und dunkelblaue Pastelllinien zieht und gerade die richtige Menge Kreidestaub wegpustet, sodass gerade noch genug Blau übrig bleibt, damit der blaue Teil des Auges ganz echt und glänzend aussieht, und dann scheint sie wieder die alte Saidhbh zu sein, auf dem Weg der Besserung. Und wenn sie dann auch noch Witze darüber macht, für immer in der Klapsmühle zu bleiben, na ja, dann willst du sie einfach nur hochheben und in die Arme nehmen und ihren Kopf auf deine Schulter rollen lassen und hinten an ihrem Nacken riechen und mit ihr im Arm zur Tür rausrennen und allen sagen, dass die Welt sie selber nicht mehr alle hat, wenn sie glaubt, dass so ein junges Ding zusammen mit einer Handvoll durchgeknallter Opas in eine dettolverseuchte Stink hölle gehört.
    Doch wie bei allem mit Saidhbh gibt es auch eine Kehrseite. Und die Dunkelheit. Und du könntest beim Gedanken daran verrückt werden und mit dem Kopf auf einen Baumstumpf eindreschen wie Heathcliff am englischen Arsch der Welt, einfach weil das alles so traurig und so verrückt ist, wie sie dich mit der einen Hand streichelt und mit der anderen nach dir schlägt, ohne auch nur zu wissen, was sie da tut. Deano sagt, dass das so ist, weil sich das Karma des Universums in einem Zustand völligen Gleichgewichts befindet. Wobei er vergisst zu erwähnen, dass man dem Universum auch mit offenem Mund gegenüberstehen kann, und dann ist es niederschmetternd und es tut weh und man kann nirgendwo anders mehr hinsehen.
    Saidhbhs neueste Marotte ist, dass sie es schwierig findet, gleichzeitig zu atmen und zu reden. Deshalb hindert sie sich nun immer selbst daran, weiterzureden, indem sie sich mit der Hand den Mund zuhält, was sowohl merkwürdig komisch als auch komisch angsteinflößend ist, aber nicht einfach nur komisch komisch. Und dann schließt sie die Augen und scheint in Gedanken irgendeine Checkliste durchzugehen, und dann holt sie tief Luft und presst schnell einen Satz heraus, bevor ihr die Luft schließlich ausgeht, und dann hält sie sich wieder den Mund zu, und alles fängt wieder von vorne an.
    Das ist ziemlich gaga, und ich weiß, dass wir beide darüber nachdenken, ich und Fiona, als wir uns auf den langen Rückweg nach Kilburn machen. Wir sagen nicht viel. Weil ich nach dem Besuch für gewöhnlich sowieso mit den Tränen kämpfe. Und Fiona weiß Bescheid. Das ist so, wie wenn Jack Downs dich verprügelt, weil du Fats Madigans Erdkundeunterricht versaut hast, und dann kommt am Ende der Stunde jemand wie Gary und fragt dich, ob alles in Ordnung ist. Und du willst einfach nur in Tränen ausbrechen, weil du von den Schlägen und dem Gebrüll noch immer unter Schock stehst und sich dein Inneres zusammenkrampft, weil es in den Herzen von so kleinen Kerlen wie Gary Connell noch Güte und Wärme und Liebe gibt.
    So fühlt man sich nach einem Besuch bei Saidhbh. Und wir laufen an den Krimskramsläden auf dem Cricklewood Broad way vorbei, und Fiona sagt: Ihr ging es schon viel besser, oder?
    Und ich sage: Total.
    Das ist alles. Und wir laufen weiter und schielen nach dem Krimskrams, und ich hoffe um der Hoffnung willen, dass Fiona keinen Arm um mich legt und liebevoll zudrückt und mich fragt, ob alles in Ordnung ist, und mir sagt, dass am Ende alles gut wird.
    Die reale Welt hat die Nachricht, dass Saidhbh Vollzeit in eine Londoner Irrenanstalt eingezogen ist, mittlerweile erreicht wie ein Zieltorpedo, der