Nichts für Anfänger - Roman
Normalerweise werde ich ein bisschen rot, aber das Ganze stört mich nicht großartig. Weil irgendwie erinnert mich dieser Weiberhaufen mit seinem Gebrüll und Gespaße und Gelärme an unser Abendessen zu Hause. Nur eben mit Gummipimmeln statt mit Sprüchen und Witzen und zwölf betrunkenen Frauen in Stilettos und Strumpfhaltern und Sex-Azubine- T -Shirts statt mit fünf Schwestern und einer Mam.
Billy kann noch viel besser mit ihnen umgehen als ich, ist total routiniert und hat feundlich-unverschämte Sprüche und Antworten parat, mit denen er sekundenschnell reagieren kann. Zum Beispiel nennt er sie die ganze Zeit Schätzchen. Und er sagt: In deinem Fall, Schätzchen, hätte ich lieber einfach das Geld, wenn sie ihn fragen, ob sie ihm einen Drink spendieren dürfen.
Und während das alles vor sich geht, vernachlässige ich kom plett den Tisch von dem Typ mit dem Bart. Selbst an einem guten Tag wäre es vermutlich so gelaufen. Doch mit all dem Saidhbh-Kram, der in mir herumwirbelt, und Helen, die fünf Jahre Astralwissenschaften in zwei Wochen in meinen Kopf prü gelt und der Möglichkeit, dass jeden Moment eine voll bewaff nete IRA -Truppe aus der Guacamole springt, um mich zu töten, kümmere ich mich in keiner Weise um seine Bedürfnisse.
Ich scheiße mir also Briketts in die Hose, als ich zu ihm schleiche. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht zur ’RA gehört, schon allein deshalb, weil die sich nie so gehen lassen würden und er diese Mähne nie und nimmer unter eine Sturmhaube bekommen würde, ohne wie ein großer dreckiger Terroristenlolli auszusehen und zur Lachnummer Der Bewegung zu werden. Und selbst wenn er in der ’RA wäre und die Halb-Mann-halb-Affe-Nummer seine beste Tarnung wäre, dann würde er hier garantiert nichts unternehmen, am helllichten Tag, an einem Samstagnachmittag, vor einer Horde betrunkener Frauen, die mit Gummipimmeln wedeln.
Trotzdem frage ich mich, was er von mir will, und hoffe, dass er mich nicht zur Sau macht und den schlechtesten Abräumer in der Londoner Restaurantgeschichte nennt und dann verlangt, mit Trevor zu sprechen, damit ich auf der Stelle gefeuert werde. Erst als ich den Tisch erreicht habe und schon die Hand nach ihm ausstrecken könnte, erkenne ich ihn.
Wir sollen unsere Kunden so oft wie möglich anfassen. Trevor hat uns alles darüber erzählt und das gesamte Bedienungspersonal einen ganzen Nachmittag lang darauf trainiert. Dieser Trick kommt direkt aus Amerika und bringt die Kunden dazu, zu denken, dass du total spitze bist und dass sie noch mehr von dir kaufen und dir am Ende des Abends noch ein dickes Trinkgeld geben wollen. Billy ist da ganz anderer Ansicht und sagt, dass er etwas völlig anderes gelernt hat – und zwar von den alten Profis in Soho – und dass das Ganze falsch und heuchlerisch ist und irgendwie unangenehm. Es ist jedenfalls total einfach und kein großes Geheimnis, und die Amis schwören drauf. Eine kleine Bewegung, die du machst, wann immer ein Kunde was von dir will, was im Laufe einer kompletten Mahlzeit ganz schön oft sein kann. Im Grunde beinhaltet der gesamte Bewegungsablauf, dass du zu ihnen gehst, und gerade, als du den Tisch erreichst, gehst du plötzlich in die Hocke, tauchst neben ihnen auf und berührst sie am Arm. In dieser total fließenden Bewegung gibst du dem Kunden das Gefühl, dass er was Besseres ist als du und die Hosen anhat, weil er auf dich runterguckt, aber weil du ihn gleichzeitig anfasst, fühlt er sich auch mit dir verbunden, quasi so, als wäre man ein Liebespaar.
Hier bin ich also, in der Hocke neben dem großen bärtigen Schwachkopf, sehe ganz pärchenmäßig und lächelnd rauf in seine Augen und berühre ihn am Arm, als ich zum ersten Mal vernünftig durch den irren braunen Bart und die langen strähnigen Haare gucken kann und mir in einer Art ausgewachsenem Herzinfarkt klar wird, dass es niemand anderes ist als der verfickte Vater O’Culigeen höchstpersönlich! In Fleisch und Blut! Und direkt vor mir!
Wiedervereint.
Endlich.
Ich erstarre eine Ewigkeit lang genau so, in der Hocke. Bösartig packt er sich meine Hand, die wegen der geheuchelten Kundenbindung sowieso schon seinen Arm drückt. Er be fiehlt mir, nichts zu sagen, und fängt an, in einer riesen Achter bahnfahrt aus Worten loszuplappern, die halb Beichte, halb Geständnis und halb Entschuldigung ist, aber alles so verliebt-verlobt-verheiratetmäßig auf Kuschelkurs.
Er verspricht, dass er kein Vergewaltiger mehr ist. Er sagt, er
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