Nichts für Anfänger - Roman

an ihnen zu rächen, weil sie Mädchen sind. Oder Mädchen, die mit Jungs rumhängen.
    Sarah murmelt leise Nazi und zischt wieder ab nach oben. Dad unternimmt nichts, weil es ihn nicht stört, als Nazi bezeichnet zu werden, obwohl er findet, dass die Nazis im Krieg unrecht hatten und bescheuert und bösartig waren, aber die Nazis wurden respektiert, und das ist alles, was er will. Tatsächlich will er es so sehr, dass es zu einem seiner Running Gags geworden ist – jedes Jahr fragen wir ihn, was er sich zum Geburtstag wünscht, und jedes Jahr antwortet er: Nur ein wenig Respekt. Aber er sagt es auf so eine sanfte Art und lächelt dabei.
    Mam ruft Sarah hinterher, dass es ohnehin Zeit wird, aufzustehen, dass das Essen fast fertig ist und sie diesem faulen Furz, also Fiona, sagen soll, sie soll auf der Stelle runterkommen! Mein Gooooooott, keift Sarah zurück.
    Sarah und Siobhan haben beide ihren Schulabschluss und gehen fast jede Woche zu Vorstellungsgesprächen in verschiedenen Firmen, aber bis jetzt haben sie noch nichts Richtiges gefunden, außer ein wenig Teilzeitarbeit in Dads Büro. Jetzt, wo aus ihnen richtige Frauen werden, lieben sie Mam entweder oder sie hassen sie. Spät abends sitzen sie hinter geschlossener Tür auf ihrem Bett und plaudern stundenlang mit ihr über Jungs und solche Sachen, und wer wen mag und wie die und die Zicke die und die andere Zicke genannt hat und so weiter. Oder sie kommen eben zur Garagentür rein, sehen sie dort, bis zu den Ellenbogen im Waschbecken, und hassen sie auf der Stelle. Einmal, als Sarah brüllte, dass Mam so eine olle Kuh ist, antwortete ihr Mam mit diesem kleinen Gedicht, das sie auswendig kann. Es geht so, Wie du jetzt bist, war ich einmal. Wie ich jetzt bin, wirst du einmal. Mam sagt immer, dass sie nie gut in der Schule war und nie Irisch gelernt hat und nie weiter als bis zur mittleren Reife gekommen ist, aber wenn sie will, schüttelt sie immer ein Ass aus dem Ärmel.
    In der Küche geht es jetzt rund. Mam hat ihr glamouröses Kirchenoutfit ausgezogen und trägt bloß noch eine Trainingsjacke und Jeans, während sie auf die Schnelle Melonenbällchen als Vorspeise macht, indem sie mit dem Gerät für Butterbällchen durch eine Melone fährt. Dann kommen die Eier. Wenn Mam »Eier« sagt, fügt sie immer hinzu, »mit Verlaub«, weil sie nicht will, dass man an die schmutzige Bedeutung davon denkt, wenn sie es sagt. Aber dadurch, dass sie es sagt, denkt man erst recht daran, also ist es irgendwie ein Witz. Claire und Susan tragen beide ihre besten, gestärkten Sonntagsblusen und Faltenröcke. Ihre Haare sind sorgfältig mit Klammern nach hinten gesteckt, damit sie nicht ins Gesicht fallen, und sie sitzen an den sich gegenüberliegenden Enden des Tisches und gehen sich gegenseitig auf die Nerven.
    Claire versucht, Origamitiere aus den acht Papierservietten auf dem Tisch zu falten. Susan fummelt an den Falten ihres Rockes herum und hat extrem schlechte Laune, weil sie gestern Abend nicht rüber zu den Joyces und ein wenig dortbleiben durfte. Die Joyces sind wohlhabende Freunde der Familie mit einem riesigen Haus in Balinteer. Claire hat da letzte Nacht mit Brenda Joyce in einem Zimmer geschlafen und erzählt jetzt in einer Tour, wie sie den ganzen Abend lang Wahrheit oder Pflicht gespielt haben und mit ihrer Frisierpuppe, und das bringt Susan zur Weißglut. Außerdem ist Susan sauer, weil Claire einfach ihren liebsten, leuchtenden Wackelhaarreif angezogen hat, den Susan eigentlich für den Abend aufgespart hat, an dem man sie irgendwohin einladen würde, egal, wohin.
    Schließlich, nach etwa zwanzig Minuten Hooked on Classics, Treppengetrampel und Geschirrgeschepper, kommen Sarah, Siobhan und Fiona runtergetrottet. Obwohl es nur unser sonntägliches Mittagessen und keine Disco ist, hat Sarah ihre Haare mit Schaumfestiger ganz lockig gemacht und trägt einen Jeansminirock und ein trägerloses Top und keinen BH . Siobhan trägt eine schwarze Secondhand-Seidenbluse, schwarze Röhrenjeans und Cowboystiefel, und Fiona trägt einen weiten grauen Jogginganzug und hat einen dünnen blauen Schal um ihren Kopf gewickelt, sodass sie aussieht wie ein Pirat, aber eigentlich ist er dazu gedacht, einige rote Haarsträhnen platt zu drücken, die sich während der kurzen Nacht aufgestellt haben.
    Der Küchentisch hat zwei ausklappbare Flügel auf jeder Seite, sodass er für gewöhnlich so aussieht, als würde er nur etwa sechs von uns Platz bieten, aber wenn man beide Flügel