Nichts für Anfänger - Roman
Tagen, an denen nicht Benny Hill im Fernsehen lief, zog Dad sich Dokus rein. Und es dauerte nicht lange, bis er von den möglichen Folgen billiger chinesischer Mikrowellenöfen Wind bekam und davon, was mit dem menschlichen Körper passieren kann, wenn besagte Mikrowellen versehentlich aus dem Gerät entwichen und anfingen, dich von innen heraus durchzubrutzeln.
Wenn uns jetzt also Verwandte besuchen, kommt er für einen Moment in seinem kratzigen, grauen Morgenmantel die Treppe runter, die Haare an der Seite ganz platt und das Gesicht blass und aufgequollen, als hätte er zehn Wochen lang durchgeschlafen, nur eben tief im Höllenschlund statt in einem Bett, und sagt in Flüsterton und mit halb bedecktem Mund – als wolle er den Ofen nicht direkt beleidigen –, dass er der Meinung ist, die Mikrowelle ist schuld. Er flüstert auch, weil er nicht will, dass Mam ihn hört und er sich irgendwie darüber Sorgen macht, sie könnte denken, er würde so auch ihr die Schuld geben. Die Mikrowelle ist das eine heiß geliebte Gerät in ihrem Besitz, das nach einem mal wieder in die Hose gegangenen Familienrat angeschafft wurde und dazu gedacht war, ihr die Arbeit, uns Wilde zu versorgen, ein wenig zu erleichtern. Sie kann gar nicht oft genug tiefgefrorene Scones aus der Truhe holen, sie für zehn Sekunden in die Mikrowelle hauen und anschließend die gesamte Nachbarschaft lauthals zum millionsten Mal fragen: Ist das nicht einfach unglaublich?
Der Mikrowelle die Schuld zu geben bedeutet insofern auch Mam die Schuld zu geben, und selbst Dad ist nicht so blöd, das laut zu sagen. Trotzdem hält er an seiner Theorie fest. Wenn er danach durch die Küche läuft, duckt er sich an der Mikrowelle vorbei. Nur für den Fall, dass sie noch immer krebserregende Strahlen ausspuckt, die seine letzten gesunden Zellen durchgrillen wollen. Mam weiß, wie er über die Mikrowelle denkt und dass sie sie abschaffen sollte. Tut sie aber nicht. Manchmal gucke ich sie an, wenn sie davor herumhampelt und die ganzen Knöpfchen drückt, wie sie dem Piepsen lauscht und unnötigerweise Baguettes und Milchbrötchen auftaut, und dann bekomme ich ein ganz komisches Gefühl und denke, dass sie im tiefsten, dunkelsten Innern zur Mikrowelle hält und nicht zu Dad. Oder dass es ihr nichts ausmacht, das eine gegen das andere auszutauschen. Wenn das hier ein Hollywoodfilm wäre, dann wäre sie die Frau, die eine Affäre mit genau dem Roboterkiller hat, der versucht, ihren Ehemann zu töten. Oder vielleicht, im tiefsten dunkelsten Innern, hat sie die Mikrowelle überhaupt nur gekauft, um ihn zu töten. Vater Jason sagt, dass Absicht in der Welt der Quantenmechanik die Hauptsache ist und dass sich die schlechten Gefühle, die man jemandem gegenüber empfindet, in der wahren Welt ganz leicht in physikalische Ereignisse entwickeln.
Er sagt, dass es bei allen großen quantenmechanischen Experimenten, die in irgendwelchen wissenschaftlichen Laboratorien durchgeführt werden, die Gedanken der Wissenschaftler sind, die letztendlich den Ausgang des Experiments entscheiden. Es reicht, ein Resultat zu erwarten, damit es eintritt. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sich Mams Wut darüber, dass Dad wie ein blinder Passagier durchs Haus geistert und jeden Tag hereinschwebt und über der Zeitung einschläft, mithilfe von ein paar fehlgeleiteten Mikrowellenstrahlen zu wahrhaftigem Krebs in Dad geworden ist.
Uns Kindern sagt Dad natürlich nichts darüber, was sich in seinem Körper abspielt. Wir sind uns noch nicht einmal sicher, ob Mam alle Details kennt. Sie weint plötzlich und viel. Mal streichelt sie mir über das Gesicht, bricht in Tränen aus und sagt: Er sieht einfach so schwach aus!, womit sie Dad meint, aber mich starrt sie an.
Dad selbst kommt die Sache mit seinem Hals gerade gelegen, um für volle drei Wochen aus unserem Haus und unserem Leben in Richtung Krankenhaus zu verschwinden. Während dieser Zeit herrscht eine merkwürdige Stille im Haus, die nur gelegentlich von kurzen Ausbrüchen von Hart to Hart im Fernsehen oder Mams Schluchzen unterbrochen wird. Ich verbringe die meiste Zeit unten in der Garderobe, mit Licht aus und Saidhbh am Telefon. Ich weiß nicht, warum ich das Licht ausschalte, irgendwie ist es so noch magischer. Zu Anfang unserer Telefonate war ich noch im Flur, aber so ging es nicht, und sie wurde nur sauer, weil ich so steif war und ständig befürchtete, dass die Mädchen meinen Liebesschwüren lauschen. Also leitete ich schnell
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