Nichts für Anfänger - Roman
haben, der etwas weniger, na ja, zielorientiert ist. Ich weiß nicht genau, warum ich nur schnappen kann und sonst nichts. Ich vermute, dass es etwas damit zu tun hat, Opfer eines Messdiener-Vollzeitvergewaltigers zu sein, aber meine Hoffnung ist, dranzubleiben und mich in Sachen Sex irgendwann locker zu machen. In der Zwischenzeit werden wir als Pärchen absolute Profis, was das Trockenknutschen angeht. Genau der richtige Druck, ein Hauch von Spucke, damit es nicht scheuert, und quasi perfektes Tempo im Bewegungsablauf. Wir liegen auf dem Rasen, egal, wo, und legen einfach los. Ganz ohne Worte. Und manch mal, während wir schnappen – auf-zu, auf-zu, auf-zu, auf-zu –, erreichen wir einen tranceähnlichen Zustand völliger Vereinigung. Nach einer unserer Sessions, einer langen, einem dicken fetten Vierzigminüter, richtet Saidhbh sich auf, und Tränen laufen ihre Wangen hinunter, und sie sagt, wir hätten gerade wahrhaftig tiefe Tiefen erreicht. Sie macht einen Witz darüber, dass es vielleicht am Sauerstoffmangel liegt, aber dass es sich manchmal, auf dem Höhepunkt unserer Lippenzange, wirklich so anfühlt, als wäre sie auf einem Trip in neue Dimensionen. Sie sagt, dass sie Farben sieht, hauptsächlich Blau und Lila, die vor ihren Augen ineineinander verlaufen, und dann wird ihr Verstand einfach vor Liebe ausgelöscht. Sie sagt, dass unser Schnappen das beste Geheimnis ist, das ein Paar je gelüftet hat, und dass sie verstehen kann, dass ich niemals damit aufhören will.
Wir knutschen unten am Sportplatz neben den Reihenhäusern in Ballydown, kurz vor der Messe am Samstagabend. Irgendwie muss man es uns ansehen können, denn als Saidhbh mich zur Sakristei bringt, knallen bei O’Culigeen sämtliche Sicherungen durch.
9
Der verlorene Sohn
I ch drücke um fünf vor sieben auf die Klingel, um halb acht ist Anpfiff. Theoretisch bin ich zu spät, aber mal im Ernst, was soll er machen? Kichernd schiebe ich Saidhbhs Hand von meiner weg, als ich ihn von drinnen zur Tür hetzen höre. Er reißt sie auf und springt mit einem »Ta-daaa!« nach draußen. Und dabei wedelt er mit drei kleinen farbigen Broschüren. Sein Gesicht wird jedoch zu Stein, als er Saidhbh sieht, und es gelingt mir gerade noch, zu entziffern, was auf der ersten Bro schüre steht, nämlich »Entdecken Sie Papua«, bevor er sie grob in seine Hintertasche knüllt.
Oh, Saidhbh, ist alles, was er rausbekommt, als er sie an meiner Seite sieht, und er kann nicht anders, als angewidert den Mund zu verziehen. Saidhbh nickt ihm zu und nennt ihn »Vater«, doch es ist keine Kunst, die dicke Luft zu wittern. Und so dreht sie sich zu mir, um sich zu verabschieden, wartet einen Moment, um zu sehen, ob ich mich strecke, um ihr einen Kuss zu geben, und küsst dann, von meiner offensichtlichen Passivität unbeeindruckt, lässig ihre eigenen Finger und drückt sie als eine Art niedliche Abschiedsgeste auf meine Backe.
Ich fühle mich dadurch eins a und sicher und geborgen, doch O’Culigeen läuft Amok. Wutentbrannt schubst er mich hinein und knallt die Tür der Sakristei zu. Die nächsten zwanzig Minuten lang regt er sich auf, er hat einen richtigen Tob suchtsanfall, und zwar so lange, bis der kleine Johnny Carroll, mein Stellvertreter, mit seinem frechen Rotschopf um die Ecke lugt und wir mit der Prozession beginnen. Johnny wurde O’Culigeen von Johnnys Mam Carmel Carroll alias Kräuselcarmel aufs Auge gedrückt (sie hat unglaublich krause Locken, als wäre sie eine irische Afrikanerin). Ihrem Mann ge hört eine halbe Staubsaugerfabrik, und sie hat zweiundzwanzig Messingplaketten für die Kirchenbänke gestiftet, auf denen jetzt die Namen ihrer ganzen toten Verwandtschaft stehen. Sie ist sozusagen die Besitzerin der Kirche und mischt sich andauernd in O’Culigeens Angelegenheiten ein, und als ihr Sohn Johnny endlich das richtige Alter hatte, hat sie ihn O’Culigeen quasi aufgedrängt, und ihm blieb nichts anderes übrig, als Johnny in seine Herde aufzunehmen, obwohl dieser ganz klar nicht der Typ Schäfchen ist, auf den er normalerweise steht.
Jedenfalls bohren sich O’Culigeens Augen immer noch in meinen Rücken, als ich das riesige goldene Kreuz durch die überfüllte Kirche trage, bierernst, durch den Mittelgang zum Altar. Mrs. Daikin vom Clannard Close sitzt oben an der Orgel und nudelt ihre beerdigungsmäßige Version von »Lobet den Herrn« runter, als ich mich mit dem Kreuz umdrehe und sich unsere Blicke kreuzen, er steht auf den Stufen zum Altar
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