Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman

Regen starrte. Doch die Fotoserie endete, noch bevor Iain ins Teenageralter kam. Es wirkte fast, als wäre er plötzlich gestorben.
    Nach dem Arbeitszimmer landete Haven in einem Schlafzimmer, das dem Iain auf den Fotos gehört haben könnte. Es wirkte seltsam kahl, als wäre es nach und nach immer mehr ausgeräumt worden. An den blauen Wänden zeigten hellere Flecken, wo bis vor Kurzem noch Bilder gehangen hatten, und zwischen den paar Büchern, die noch im Regal standen, gähnten riesige Lücken. Selbst die Schreibtischschubladen waren leer. Was immer Haven hier für Hinweise hätte entdecken können, sie waren sorgfältig entfernt worden.
    Am anderen Ende des Flurs, in einer Ecke des Gebäudes, lag ein größeres Schlafzimmer. Die Vorhänge waren aufgezogen, und zwei Wände bildeten eine Fensterfront mit Ausblick auf New York City. Im hereinfallenden Sonnenlicht konnte Haven sehen, dass hier vor nicht allzu langer Zeit noch Staub gewischt worden war. Die weiße Tagesdecke sah neu aus, und selbst die Wandfarbe roch frisch. Auf einer Gepäckablage neben dem Schrank stand ihr Koffer, und über einer Stuhllehne hing Iains schwarze Umhängetasche. Auf dem Schreibtisch lag sein Handy.
    Haven blieb einen Moment lang wie angewurzelt stehen, dann griff sie danach. Endlich würde sie ein paar verlässliche Antworten bekommen. Sie lauschte nach Schritten im Flur. Irgendwo weit weg hörte sie Iain herumwirtschaften. Sie tippte mit einem Finger auf das Telefon und das Display wurde hell. In der rechten unteren Ecke blinkte ein Symbol auf, das sie nur zu gut kannte. So atemlos wie ein Grabräuber, der kurz davor war, das Schloss einer unterirdischen Gruft zu knacken, klickte Haven auf die kreisende silberne Schlange. Sie dehnte sich aus, bis sie das gesamte Display einnahm. Nach einer Weile hörte sie auf, sich zu drehen, und ein Auswahlmenü erschien.
    Regeln und Vorschriften
    Mitglieder kontaktieren
    OG News
    Tipps
    Mein Konto
    Einnahmen melden
    Ausgaben melden
    Posteingang
    Haven wählte Mein Konto aus, und kurz darauf öffnete sich ein Dokument, das an einen Kontoauszug erinnerte. Sie hielt vor Aufregung die Luft an und begann zu lesen. Ganz oben auf der Seite stand in fetten Buchstaben Iain Morrow, Mitglied seit 2007 . Darunter gab es zwei Spalten, die die Überschriften Einnahmen und Ausgaben trugen. Die meisten Einträge in den Spalten waren Namen und kurze Beschreibungen.
    Haven starrte auf das Display und ging die lange Liste von Namen durch, bis sie zu einem Eintrag ganz unten auf der Seite gelangte: eine Gutschrift auf Iains Konto, die am Tag zuvor durchgeführt worden war. Wer war das gewesen? Und was genau war ihm da überhaupt gutgeschrieben worden? Geld konnte es nicht sein, entschied Haven. Das ging schon aus den Zahlen hervor. Sie blätterte noch ein paar weitere Auszüge durch. Hinter den meisten Kontobewegungen standen Frauennamen, ein paar wenige aber trugen die Bezeichnung Bareinzahlung oder Geschäftsdarlehen . Iain hatte sein Vermögen dazu verwendet, sein Ouroboros-Konto im Gleichgewicht zu halten. Und mit seinem Guthaben kaufte er Sex. Haven wusste, dass dies das System sein musste, von dem Marta gesprochen hatte – und das Jeremy Johns so abstoßend gefunden hatte.

    In der rechten oberen Ecke des Displays blinkte dreimal ein rotes Briefumschlagsymbol auf und verschwand dann wieder. Haven verließ die Seite Mein Konto und wählte als Nächstes Posteingang aus. Gerade war eine neue Nachricht von Padma Singh eingetroffen, die mit dem Zusatz »dringend« versehen war. Sie öffnete sich automatisch.
    Habe gerade deine Nachricht abgehört. Morgen den ganzen Tag Meetings. Wie wär’s Mittwoch? 8 Uhr im Café Marat in der Neunzehnten Straße?
    Haven prägte sich den Inhalt der Mail gut ein, bevor sie sie schloss und die nächste auswählte. Sie war von Marta Vega und zwei Tage alt.
    Sie sind vor meinem Haus. Ich muss hier raus, solange ich noch kann.
    Die dritte war eine Rundmail von Padma an alle Mitglieder:
    Liebe Runde,
    es sollte eigentlich nicht nötig sein, Euch daran zu erinnern, wie wichtig es ist, darauf zu achten, dass Euer Konto ausgeglichen bleibt. Nach einer Reihe von Bankrottfällen in letzter Zeit habe ich jedoch das Gefühl, dass einige Mitglieder der Gesellschaft vielleicht eine kleine Auffrischung nötig haben.
    Es ist Eure persönliche Pflicht, dafür zu sorgen, dass Euer Konto zu jeder Zeit ein minimales Guthaben von 15 Punkten aufweist. Wenn Euer Guthaben unter diesen Wert sinkt,