Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
wie man Socken stopft.«
Sie wurden von einer Lautsprecherdurchsage unterbrochen. Havens Zug stand zur Abfahrt bereit. Sie schaffte es, die Tränen zurückzuhalten, bis sie auf ihrem Platz saß. Doch als der Zug aus dem Bahnhof fuhr und seine Slalomfahrt durch die Berge aufnahm, fingen sie an zu fließen. Haven schloss die Augen. So schwer ihr der Abschied von den Deckers auch fiel, sie verspürte nicht das Bedürfnis, noch einen letzten Blick auf die Stadt zu werfen, in der sie ohnehin nie erwünscht gewesen war.
TEIL 2
Die Leben der
Haven Moore
KAPITEL 28
D ie Sonne war untergegangen und im Zugabteil war es dunkel. Die dämmrige Landschaft vor dem Fenster gab keinerlei Hinweise darauf, wo sie sich befanden. Gerade fuhren sie durch irgendeine heruntergekommene Stadt. Vereinzelte Straßenlaternen beschienen surreal wirkende Szenerien. Drei Teenager, die einander in einem Plastikschwimmbecken in einem verwahrlosten Garten untertauchten. Ein kläffender Pitbull, der an seiner dünnen Kette zerrte. Ein kleines Mädchen im Nachthemd, das mit einer Spielzeugpistole auf den Zug zielte, der kaum mehr als fünf Meter vor seinem Fenster vorbeifuhr.
Haven erschauderte und rieb sich über die Arme, die plötzlich von einer Gänsehaut überzogen waren. Diese Welt erschien so anders, so viel bedrohlicher als die, die sie hinter sich gelassen hatte. Snope City war wie ein Kokon gewesen – erdrückend eng, aber sicher. Langsam wurde ihr klar, dass die neu gewonnene Freiheit auch ungeahnte Gefahren mit sich brachte. Und trotzdem spürte sie, wie New York sie rief. Der Sog, den die Stadt auf sie ausübte, war stärker denn je.
»Entschuldigen Sie, Sir«, rief Haven. Der Schaffner verlangsamte seinen Schritt gerade so sehr, dass er einen Ticketschnipsel vom Sitz vor ihr einsammeln konnte. »Wo sind wir?«
»New Jersey. Nächster Halt ist Penn Station«, antwortete er, während er seinen Gang schon wieder beschleunigte und kurz darauf durch die Schiebetür am Ende des Abteils verschwand.
Haven stand auf, um nachzusehen, ob die Toilette besetzt war. Die Tür stand offen, und das ganze Abteil war leer, bis auf einen Mann drei Reihen hinter ihr. Er trug einen nichtssagenden marineblauen Anzug und einen 08/15-Haarschnitt, und obwohl er die Augen geschlossen hatte, war sich Haven irgendwie sicher, dass er nicht schlief. Beunruhigt ließ sie sich wieder auf ihren Sitz sinken und starrte aus dem Fenster. Die Gebäude standen jetzt dichter zusammen, Reihen von Straßenlaternen tauchten alles in blassgelbes Licht. In der Ferne sah Haven die ersten Umrisse einer Stadt, die in den Himmel aufragte.
Vor der Penn Station wand sich eine Taxischlange um den Block. Eine warme Windbö fegte durch die Straßen, und der Ozongeruch in der Luft kündigte ein Gewitter an. Der Mann aus dem Zug war direkt hinter ihr. Er schien sie nicht zu bemerken und widmete sich ganz seinem Blackberry, in den er irgendetwas eintippte. Haven behielt ihn im Auge und tastete nach dem Handy in ihrer Tasche. Sie wünschte, sie könnte Beau anrufen und ihn um Rat fragen. Als die ersten dicken Regentropfen auf die Bürgersteige klatschten, erreichte Haven den Taxischalter.
»Wohin soll’s gehen?«, fragte er, ohne aufzusehen. Das Tippgeräusch hinter Haven brach plötzlich ab.
»Achtundzwanzigste Straße«, flüsterte Haven.
»Achtundzwanzigste Straße?«, wiederholte der Mann hinter dem Schalter mit lauter Stimme. »Hier, bitte«, sagte er und drückte ihr einen gelben Zettel in die Hand. »Schönen Aufenthalt in New York.«
Während der Fahrer ihr Gepäck im Kofferraum verstaute, stieg Haven hastig ins Taxi und knallte die Tür hinter sich zu. Als sie sich umsah, stand der Mann im Anzug ganz vorne in der Schlange. Jetzt gab er sich keine Mühe mehr, unauffällig zu bleiben. Er starrte sie direkt an.
»Wohin?«, fragte der Fahrer.
»Zum Windemere Hotel«, murmelte Haven und hoffte, dass der Mann draußen nicht Lippenlesen konnte.
»Welchen Weg wollen Sie nehmen?«, fragte der Fahrer weiter und blickte sie verschlagen im Rückspiegel an.
Haven spürte, dass das ein Test war und dass die falsche Antwort sie zehn Dollar zusätzlich kosten könnte. »Über die Fifth Avenue zur Achtundzwanzigsten und dann links«, hörte sie sich selbst sagen.
»Kein Problem«, erwiderte der Taxifahrer ein wenig enttäuscht.
Während das Taxi in südlicher Richtung durch die Stadt raste, beobachtete Haven, wie die Wolkenkratzer an ihrem Fenster vorbeizogen, als wären sie
Weitere Kostenlose Bücher