Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
Teil eines Films, den sie schon mal gesehen hatte. Aber es waren neue Szenen hinzugekommen und dafür andere herausgeschnitten worden. Der Effekt war verwirrend und bisweilen verstörend. Alles war größer, heller, glitzernder als sie erwartet hatte. Sie war erleichtert, als das Taxi schließlich vor den goldgerahmten Eingangstüren des Windemere Hotel stehen blieb. Der Regen strömte wasserfallartig vom Vordach des Hotels, und grelle Blitze zuckten zwischen den umliegenden Gebäuden hindurch. Der Fahrer stellte ihr Gepäck am Bordstein ab, während Haven zusah, wie ein paar Leute aus einem anderen Taxi stiegen, das ebenfalls vor dem Hotel gehalten hatte. Der Mann aus dem Zug war nicht darunter.
»Darf ich?« Als der Portier nach Havens Koffer griff, fuhr sie zusammen. »Sie sind doch Gast bei uns, oder nicht?«
»Ja«, stieß Haven hervor.
»Hier entlang, bitte«, sagte der Mann und führte Haven durch die Eingangshalle. Als Haven an der Empfangstheke ankam, musterte die Frau dahinter, die einen steifen grauen Anzug trug, sie hochmütig.
»Kann ich Ihnen helfen?«, leierte sie ihren Begrüßungsspruch lustlos herunter.
»Ich habe ein Zimmer reserviert. Auf den Namen Haven Moore.«
»Da muss ich erst nachsehen«, entgegnete die Frau misstrauisch. Sie tippte den Namen in den Computer ein. »Ah, ja. Hier ist es.«
»Einen wunderschönen guten Abend, Sir.« Der Mitarbeiter ein paar Meter weiter klang ein wenig zu gut gelaunt. »Was kann ich denn für Sie tun?«
»Ich habe keine Reservierung, aber ich hätte gern ein Zimmer.«
Haven warf einen Blick zur Seite und erblickte den Mann aus dem Zug, der gerade seinen Ausweis über die Theke schob.
»Entschuldigen Sie«, sprach sie ihn in einem plötzlichen Aufwallen von Mut an. »Waren Sie nicht eben im selben Zug wie ich?«
Das Gesicht des Mannes zeigte keinerlei Regung. »Ich weiß nicht. War ich das?«, fragte er zurück.
»Ich habe Sie gesehen«, beharrte Haven. »In dem Zug aus Tennessee.«
»Das mag sein«, sagte der Mann. »Ich habe Sie aber nicht gesehen.«
»Miss?«, sagte die Empfangsdame zu Haven. »Ihr Schlüssel.« Das Lächeln der Frau wirkte dermaßen spöttisch, dass Haven ihr am liebsten einen Fausthieb ins Gesicht verpasst hätte.
KAPITEL 29
H aven guckte unter das Bett und in den Schrank, bevor sie schließlich unter die Decke kroch. Sie ließ die Vorhänge offen und beobachtete, wie die Lichter in den Bürogebäuden auf der anderen Straßenseite nach und nach verloschen. Sie träumte von Ethan, spürte ihn neben sich. Seine Brust hob und senkte sich, und bei jedem Ausatmen entwich ihm ein kleines schnurrendes Schnarchen. Als die helle Sommersonne sie weckte, merkte Haven, dass sie eins der Kissen umschlungen hielt und sich daran klammerte wie an einen Rettungsring.
Sie gönnte sich den Luxus, beim Zimmerservice Kaffee zu bestellen, und rief dann ihre Mutter an. Mae war ziemlich beunruhigt, als sie erfuhr, dass ihre Tochter die Stadt verlassen hatte, doch nach Dr. Tidmores Predigt war sie keineswegs überrascht.
»Aber warum so schnell?«, flüsterte sie, für den Fall, dass Imogene sie hörte. »Warum konntest du nicht noch ein bisschen warten?«
Haven suchte nach einer halbwegs akzeptabel klingenden Erklärung, aber ihr fiel keine ein. Sie konnte ihrer Mutter schließlich nicht erzählen, dass sie nach New York gereist war, um herauszufinden, was mit einem Mädchen passiert war, das seit neunzig Jahren tot war. Oder dass sie an diesem Abend vor dem Apollo Theater stehen würde, um einen Blick auf einen steinreichen Jungen zu erhaschen, der des Mordes verdächtigt wurde. Und selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte die Kräfte, die sie zu ihrem Entschluss getrieben hatten, nicht in Worte fassen können.
Nachdem der gefürchtete Anruf erledigt war, zog Haven sich an und nahm die U-Bahn-Linie 6 in die Innenstadt. Als sie die Treppen hinaufstieg und auf der Spring Street herauskam, hatte sie – zum ersten Mal in ihrem Leben – das Gefühl, dass sie genau dort war, wo sie sein sollte. Sie ging ein Stück Richtung Osten, als eine Frau mit Faltenrock und T-Strap-Pumps an ihr vorbeieilte. Um ihren Glockenhut hatte sie ein grünes Band gewunden. Am Straßenrand wartete ein Mann hinter dem Steuer eines schicken Wagens mit Weißwandreifen und aufklappbarem Notsitz im Kofferraum. Dafür, dass das Auto an die hundert Jahre alt sein musste, war es in bemerkenswert gutem Zustand. Auf der Zeitung, die der Mann in der Hand hielt, las Haven
Weitere Kostenlose Bücher