Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
hatten, aber die zwanzig Minuten in der sengenden Sonne reichten bereits aus, um auf Havens Nase ein paar neue Sommersprossen entstehen zu lassen. Schließlich gelangten sie in eine große Halle mit ein paar Hundert schwitzenden Touristen, die an die Decke starrten und einander auf die Füße traten. Genau wie Haven vermutet hatte, schenkte niemand dem gut aussehenden jungen Mann mit der Yankees-Kappe und einer Sonnenbrille besondere Beachtung. Selbst Iains Filmstaraussehen war keine Konkurrenz für die Schönheit der Kunst.
Nachdem Haven zehn Minuten lang mit unbequem in den Nacken gelegtem Kopf Michelangelos Kunstwerk betrachtet hatte, musste sie mit ihrem Blick wohl oder übel wieder auf die Erde zurückkehren. Ein Gemälde an der Nordwand der Kapelle hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Im Hintergrund des Bilds konnte man drei separate Szenen sehen. Das Werk war von Botticelli und trug den Titel »Die Versuchung Christi«.
»Kennst du die Geschichte dahinter?« Iain nahm seine Sonnenbrille ab.
»Klar.« Haven freute sich über diese Gelegenheit, ein bisschen mit ihrem Wissen prahlen zu können. »Als Jesus in die Wüste ging, erschien ihm dort der Teufel in der Gestalt eines alten Eremiten und versuchte, ihn drei Mal in Versuchung zu führen. Zuerst lockte er ihn mit Essen, dann brachte er ihn auf einen Gipfel und sagte ihm, er solle springen und die Engel würden ihn auffangen. Schließlich bot er Christus alle Reichtümer der Welt an. Aber Jesus gab der Versuchung nie nach.«
Haven spürte Iains Blick auf sich. »Glaubst du, du könntest widerstehen?«, fragte er. »Wenn dir jemand alles anbieten würde, was du dir schon immer gewünscht hast, meinst du, du wärst stark genug, um es abzulehnen?«
Eine Weile dachte Haven darüber nach. »Ich weiß nicht«, überlegte sie. »Ich hoffe natürlich, ich könnte widerstehen. Besonders, wenn der Preis dafür meine Seele wäre. Aber ich habe bisher auch ein ziemlich behütetes Leben geführt. In Snope City lauerten die Versuchungen nicht gerade an jeder Ecke. Ich kann mich kaum daran erinnern, überhaupt jemals bekommen zu haben, was ich wollte. Darum hab ich keine Ahnung, wie ich reagieren würde, wenn ich plötzlich alles haben könnte.« Aus dem Augenwinkel sah sie, wie eine Frau mit Bauchtasche und Birkenstocksandalen ihre Begleiterin anstieß und auf Iain deutete. »Komm, lass uns gehen«, flüsterte sie.
Iain war sehr schweigsam, als sie die Kapelle verließen und in Richtung des Flusses schlenderten. Er hielt den Kopf gesenkt, als wären seine Gedanken zu schwer, um sie zu tragen, und schien voll und ganz auf den Anblick seiner Füße konzentriert. Als sie zur Hälfte über die Ponte Sant’Angelo gegangen waren, griff Iain Haven beim Arm, und sie blieben stehen. Das Wasser des Tiber unter ihnen spiegelte ein trübes Abbild der Welt wider. Iain nahm Havens Gesicht in beide Hände, dann beugte er sich vor und küsste sie. Es war ein trauriger, sehnsüchtiger Kuss, wie ihn Generationen von Seeleuten und Soldaten perfektioniert hatten, wenn sie wieder in die Gefahr hinauszogen.
»Bleib bei mir, Haven«, stieß er hervor, während Haven die Augen noch geschlossen hatte. »Wir könnten hier in Rom glücklich sein. Lass uns nicht zurück nach New York gehen, ja?«
Haven lachte unsicher. »Glaubst du nicht, die schmeißen uns irgendwann hier raus? Ich spreche noch nicht mal Italienisch.«
»Das lässt sich leicht ändern«, entgegnete Iain. »Und wir müssten ja noch nicht mal arbeiten.«
»Du meinst das wirklich ernst, oder?« Iains Eindringlichkeit begann sie zu beunruhigen.
»Und wenn du dazu bereit bist, könnten wir wieder heiraten. Bitte. Ich will nicht zurück.«
»Ich verstehe dich nicht. Warum denn nicht?«
Während Haven noch auf seine Antwort wartete, erklang das mechanische Klicken eines Fotoapparats. Ein paar Meter von ihnen entfernt standen zwei Mädchen mit College-T-Shirts und kicherten hinter vorgehaltenen Händen. Iain war leichenblass geworden und wirkte wie erstarrt. Haven ging zu den Mädchen rüber, deren Augen bei jedem ihrer Schritte größer wurden.
»Wollt ihr zwei vielleicht ein Foto mit ihm?« Die Mädchen waren zu verblüfft, um zu antworten. »Das ist okay«, versicherte Haven ihnen. »Ich bin Mr Morrows persönliche Assistentin. Stellt euch einfach neben ihn, dann mache ich eins.«
»Das würden Sie machen?«, flüsterte das eine Mädchen ehrfürchtig und reichte Haven ihr Handy.
»Klar«, erwiderte Haven. Während die beiden
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