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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Frühling
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zeitgemäßer ausgestattet als die meisten Privat-Aborte. Aber 70 Cent dafür? Hier kommt wieder einer dieser klassischen Momente, in denen zum Zweck der Empörungsvergrößerung in D-Mark umgerechnet wird. Also: 1,40 Mark für einmal Pipi? Moment, schallt es da aus dem Pro-Toilettenmafia-Block, wenn man sich an der Tanke was kauft, kriegt man ja 50 Cent zurück! Ach ja? Wenn ich also für 3,20 Euro einen Softdrink kaufe (das sind 6,40 Mark (!)), dann kriege ich 50 Cent zurück? Toll! Ich möchte das eine wahrhafte Nepp-Kaskade nennen, in die man da reingerät.
    Gott sei Dank gibt es ein Instrument, mit dem man die tägliche Beutelschneiderei abmildern kann: Kundenkarten. Mein Geldbeutel steht kurz vor dem Auseinanderbersten, so viel Vergünstigungsplastik befindet sich darin. Miles & More, PAYBACK, HappyDigits bzw. HappyPoints, Esprit-Club, Peek & Cloppenburg, SportScheck-Clubcard, Mann Mobilia, Sixt, Avis, Lindner Hotels, Air Berlin, American Express Membership Rewards, TUI-Card-Bonitos – ich habe sie alle! Datenschützer verfallen wahrscheinlich in Schnappatmung und sind nach dieser Aufzählung von hektischen Flecken gezeichnet. Ich allerdings frage: Was ist daran geheimzuhalten, dass ich monatlich eine Zahnbürste kaufe, Weihnachten mit dem Flugzeug in Berlin war und eine Bücherwand aus weißem Schleiflack habe?
    Pfennigfuchser rückt mein Verhalten vielleicht zu sehr in die negative Ecke. Preisbewusst klingt schöner. Ein echter Pfennigfuchser würde zum Beispiel nicht drei bis vier Mal die Woche essen gehen, ich schon. Obwohl ich durchaus des Kochens mächtig bin, finde ich es schöner, wenn es andere für mich tun. Ich lebe in diesen Belangen nach dem hehren Grundsatz: Jeder möge das tun, was er am besten kann. Wenn sich ein Koch zum Beispiel durch meine Radiosendung gut unterhalten fühlt und mir danach sein Essen gut schmeckt, dann ist das Win-Win in Reinform. Ich muss nicht stümperhaft an meinem Auto versuchen, die Reifen zu wechseln, wenn andere dafür ausgebildet wurden und über arbeitsvereinfachendes Equipment verfügen. Vielleicht versuche ich mich mit dieser Haltung auch nur über meinen komplett fehlenden technischen Sachverstand hinwegzutrösten. Wenn ich nicht die Gabe zum Quatschen in die Wiege gelegt bekommen hätte, würde ich seit 37 Jahren möglicherweise sinnlos Sauerstoff in Kohlendioxid umwandeln, ohne auch nur eine erkennbare Leistung vollbracht zu haben.
    Meine Hände dienen allein dazu, Nahrung zum Mund zu führen und gelegentlich einen Regler am Mischpult zu lupfen. Produktives haben sie noch nie geleistet. Vor einigen Jahren erstand ich eine Kommode schwedischer Provenienz zum Selbsterrichten. Im Laufe einiger Stunden, so dachte ich, müsse es gelingen, die drei Schubladen und den Korpus einigermaßen zufriedenstellend zusammenzubasteln. Am Schluss stand das Monstrum, zwar mit unterschiedlich großen Abständen zwischen den einzelnen Schubfächern, aber es stand. Zumindest vorübergehend. Denn kurz nachdem ich stolztrunken weggedämmert war, brach das Miststück neben mir zusammen. Ohne Vorwarnung. Seitdem handele ich nach der Maxime, Aufgaben an Kompetentere auszugliedern.
    Gelegentlich umschwirrt mich allerdings der Dünkel, andererleuts Job vielleicht besser machen zu können als sie selbst. Gerade in der Gastronomie. Natürlich ist es imposant, wenn sich ein Ober fünf Speisen, davon drei mit Änderungswünschen, und dazu fünf Getränkeverlangen in unterschiedlichen Größen ohne Block merken kann. Ich allerdings fühle mich dadurch unter Druck gesetzt. Ich hoffe so sehr für den Kerl, dass die Bestellung komplett ankommt, sonst wäre die mühsam erarbeitete Imposanz mit einem Schlag im Eimer und würde dort auch noch ihrer alten Freundin Häme begegnen. Daher meine Mahnung an alle im Serviergewerbe: Die euch knebelnde Brauerei hat euch so schöne Blöckchen zur Verfügung gestellt. Nutzt sie!
    Ein weiteres No-go sind für mich handgeschriebene Speisekarten. Da sie selten liniert sind, rutscht die Schrift am Ende der Zeile gern weg und macht es unnötig schwer, die Zugehörigkeit von Preis zu Speise zu erkennen. Und da gerade in Schänken mit handgeschriebenen Menuevorschlägen das Preisgefüge in den meisten Fällen über meinem bevorzugten liegt, sind böse Überraschungen quasi vorprogrammiert.
    Das Schlimmste allerdings, werte Wirte, ist eine zu kunstvolle Deklarierung der Toiletten. Phantasievolle Reliefs, ausgefallene Scherenschnitte oder angedeutete Torsi sind nicht

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