Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Brotkultur«, schätzungsweise, weil irgendein Marketing-Hansel wieder irgendwas von Denken in größeren Dimensionen gefaselt hat. Ich denke, dass auch Brot in seiner größten Dimension kein Sujet ist, mit dem ich mich in meiner Freizeit einen Nachmittag lang beschäftigen will.
Im Brandenburgischen Kyritz schließlich gibt es das Lügenmuseum. Auf der Homepage heißt es, das Museum sei mittlerweile geschlossen – es ist in diesem Fall nur besonders schwer zu beurteilen, ob das der Wahrheit entspricht …
Immerhin sorgt ein albernes Museum für Abwechslung im Stadtbild. Was man von den meisten Fußgängerzonen im Lande nicht mehr behaupten kann. Von Flensburg bis Rosenheim reiht sich ein Filialist an den anderen und versorgt das Kaufvolk überregional mit den gleichen Waren. Stirbt ein Familienbetrieb, ist sofort ein Modetandler bereit, den Standort zu übernehmen, um dort von unterbezahlten Kräften polyesterhaltige Güter verramschen zu lassen, die von Minderjährigen in fensterlosen Fabriken gefertigt wurden. Und dann muss man sich als Stadt noch dafür bedanken, wenn es so läuft. Eine Fußgängerzone voll filial-oder franchisegebundener Drogerien, Handyshops, Fastfoodküchen und Billigmode ist nämlich immer noch besser als eine Innenstadt mit komplettem Leerstand.
Allerdings ist dieses Malheur nicht selten hausgemacht. Gift für belebte Innenstädte sind Einkaufspassagen und Fachmarktzentren. Passagen haben es noch in jeder Stadt geschafft, dem innenstädtischen Leben den Odem zu rauben. Zwar wird bei jedem Passagen-Neubau versichert, dass durch raffinierte Licht-, Bepflanzungs-oder Gastronomiekonzepte der Brückenschlag in bestehende Geschäftsviertel gelingt, eine erfolgreiche Umsetzung dieser Ankündigung habe ich aber noch nirgends gesehen. Dessau und Magdeburg sind zwei Musterbeispiele dafür, wie glitzernde Kauftempel es schafften, das bisherige urbane Zentrum komplett zu entvölkern.
Allerdings macht das Erscheinungsbild vieler traditioneller Fußgängerbereiche in den Innenstädten auch wenig Lust, sie häufiger zu frequentieren: Meist in den siebziger Jahren eingerichtet, spielt auf vielen Flaniermeilen bis heute der Baustoff Beton die Hauptrolle in der Gestaltung. Selbst Brunnen oder Baumgruppen kommen oft nicht ohne betonierte Sockel aus. Hier und da wurde in späteren Jahrzehnten zwar nachgebessert, rote Elemente sprechen für ein Update in der achtziger Jahren, türkis verrät die Neunziger. Insgesamt lässt diese Einkaufsstraßenkosmetik die Gesamterscheinung oft aber nur noch jämmerlicher wirken. Plötzlich speit eine bunte Schlange Wasser auf Kinderköpfe, kleine Kanäle durchziehen die Betonwüsten und pavillonartige Eiscafés bieten schattenlose Sitzplätze feil. Super.
Ein noch üblerer Egel an der Vene pulsierenden Stadtlebens als die innerstädtischen Malls sind ohne Zweifel die Fachmarktzentren. Hinter diesem Begriff verbergen sich die Krebsgeschwüre an deutschen Einfallstraßen: fußballplatzgroße Autoabstellflächen, gesäumt von Einkaufsmärkten in billigster Fertigbauweise. Der Begriff Fachmarktzentrum ist dabei besonders perfide gewählt: Gaukelt er doch vor, in Fach geschäften von Fach personal bedient zu werden. Sie können allerdings sicher sein, dass Ihnen diese aussterbende Spezies gerade dort so gut wie nie begegnen wird.
Lokales Kolorit? Fehlanzeige. Vom Alpenrand bis zum Ostseestrand gleichen sich diese Geißeln der Einkaufswelt aufs Haar. Offenbar hat kein Stadt-oder Gemeinderat in unserem Land jemals die Traute besessen, seinen Stimmfinger gegen eins dieser bodenversiegelnden Monstren zu erheben. Stets siegt das Arbeitsplatzargument über das ästhetische Empfinden.
Falls Sie mal in den Rheingau kommen sollten, besuchen sie Kiedrich. Ein an sich mittelalterlicher Weinbauflecken, dessen Ortsmitte seit neuestem aber aus einem baumlosen Parkplatz samt Penny besteht. Eigentlich schade, dass Atomkraftwerke in letzter Zeit ein wenig aus der Mode gekommen sind, sonst hätten die wackeren Ratsherren von Kiedrich bestimmt noch etwas Fachwerk zugunsten eines formschönen Meilers geopfert.
Die Arbeitsplatztrumpfkarte wird bei sinnlosen Projekten so häufig ausgespielt, dass sie schon ganz speckig und mit Eselsohren versehen sein muss. Regierungen gehen gerne davon aus, dass darbende Gegenden auf einmal prosperieren, wenn man nur rasch eine Autobahn durch sie baut. Das thüringische Suhl hat seit 2006 sogar die Auswahl zwischen zwei Autobahnen – und seitdem trotzdem
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