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Nichts Weißes: Roman (German Edition)

Nichts Weißes: Roman (German Edition)

Titel: Nichts Weißes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Erdmann Ziegler
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aus, dass man sich fragte, wozu er tausend Dollar brauche. Für einen Sarg?
    People’s Music führte oben die Instrumente und das Equipment, im Souterrain die Musik. Kjell verkaufte erst die Gitarre und besorgte dann einige 8-tracks, Tonbänder in Plastikgehäusen von der Größe eines Buchs, sieben Stück in einer schwarzen Plastiktüte, die er im Handschuhfach versenkte. Dann ging es los.
    Noch in Texas wurde es dunkel, die Billboards schienen größer in der anbrechenden Nacht. Kjell fragte Hans, was er glaube, wie man so eine Landschaft nenne, Steppe oder Tundra. Hans sagte, er wisse das nicht. Aber er habe einmal ein Buch besessen, noch als Kind, in dem ein Junge in eine Stadt hätte ziehen müssen, mit den Eltern, und was er dort vermisst hätte, sei die Prärie gewesen. Deshalb habe er sich, als sein Geburtstag kam, »ein Stück Prärie« gewünscht, und die Enttäuschung sei groß gewesen, als er es nicht bekam. »Deshalb habe ich das auch nie vergessen. Weil man als Leser doch hätte wissen müssen, dass man eine Landschaft nicht versetzen kann; aber trotzdem, weil der Junge es sich so sehr wünscht, hält man es selbst für möglich.«
    »Eine Fata morgana«, sagte Kjell, aber er kam nicht dazu, den Einfall zu erläutern, denn er hatte den idealen Diner am Rand der großen Straße gefunden, mit Sitzgruppen, die hintereinander aufgereiht waren wie in einem Eisenbahnabteil. Sie waren mittlerweile im südlichen Oklahoma, und aus der Jukebox dröhnte ein stählerner Countryhit. Die Bedienung riet ihnen freundlich ab, zwei kleine Portionen vom Kohlsalat zu bestellen, was begreiflich wurde, als die eine kam, ungefähr ein Kilo in der Schale. Kjell aß mit großer Lust einen gewaltigen Burger, Hans fast nichts. Erst als Kjell beim Zahlen ein Bündel Hundertdollarscheine auffaltete, fragte ihn Hans, wie viel er für die Dobro eigentlich bekommen habe.
    »Elfhundertfünfzig«, sagte Kjell.
    »Donnerwetter, wie hast du das gemacht?«
    »Fünfzehnhundert verlangt.«
    »Du bist echt der Sohn eines Geschäftsmanns.«
    »Unbestritten«, sagte Kjell. »Können wir von dem Geld tanken?«
    »Ja, natürlich. Es wäre aber gut, wenn genug übrig bleibt für das Ticket nach Schweden.«
    Kjell sah Hans an, im harten Licht, das vom Diner auf den Parkplatz fiel. »Kannst du fahren?«
    »Denk’ schon«, sagte Hans. Dann bollerten sie weiter. Kjell neigte seinen Sitz zurück, der eigentlich ein Sessel war, blaues Kunstleder, justierte den Gurt nach, so gut es liegend möglich war, und fiel in den Landstraßenschlaf, dessen Rhythmus der der Lichter ist, die das Auge, das geschlossene, erreichen. Irgendwann, mitten in der Nacht, gab es einen dumpfen Schlag, ein Rumpeln unter den Rädern, dann stand der Wagen; fahle, gerupfte Büsche im Scheinwerferlicht. Kjell schrie, Hans war stumm, den Fuß auf der Bremse, die Gangschaltung noch in Drive. Kjell legte sie um auf P, öffnete den Verschluss des Gurts, drückte die mächtige Beifahrertür auf und schrie noch einmal, denn in der Dunkelheit, jenseits des roten Schotters, von dem er nur eine Handspanne sah, tat sich ein Abgrund auf, aus dem ein kalter Wind blies. Er warf sich über Hans’ Beine, um die unter dem Lenkrad versteckte Handbremse zu ziehen, drehte den Schlüssel um, dann wieder halb zurück wegen des Lichts, fand die Warnblinkanlage nicht, hieß Hans aussteigen – aber nicht zum Straßenrand gehen –, stieg über die Schaltung weg auf den Fahrersitz, umarmte draußen Hans, der schlotterte, und besah sich dann das Auto von vorn. Im rechten Kotflügel war eine fausttiefe Delle und ein langer Kratzer dahinter. Das rechte Vorderrad stand auf dem äußersten Rand der befestigten Straße. DasAuto schwankte, als ein Mack-Lastwagen vorbeizog wie ein Haus auf Rädern.
    Das war kurz vor Tulsa gewesen. Unbedingt hatte Hans über Tulsa fahren wollen, wegen irgendeines Musikers, der von dort stammte. Den Rest von Oklahoma und den ganzen Weg durch Arkansas lag er auf dem Rücksitz des Wagens, gegen den hellen Himmel des Automobils starrend, der wie ein Schirm die Lichter der folgenden, der entgegenkommenden und quer zur Fahrtrichtung stehenden Autos auffing und mischte wie die Palette des Malers, der sein Leben dem weißen Bild verschrieben hat. Im Neonnebel eines Truckstops sah Kjell ihn an, wie er da lag, die Wangen schon eingefallen und mit einem Hauch von Grau, die Lippen schmal und farblos, die Stirn wie ihre eigene Nachformung aus Gips. Was war er doch für ein prächtiger Junge

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