Nichts
nächtlichen Expedition als Kerbe oder umlaufender Einschnitt schon aufgefallen. Zwanzig Meter darunter, im Bereich der Blockiersteine, verläuft eine zweite Antenne – die nicht sichtbar ist, da sie mitten durchs Bauwerk führt.
„Genau so kann man elektrische Energie aus der Natur gewinnen, Julie! Die ringsum verlaufende Antenne auf der Ebene der oberen Schächte und der zweiten Antenne zwanzig Meter tiefer, nennt man schlicht Antennenpaar . Auf Grund der Feldkrümmung liegt die untere Antenne im feldfreien Raum. Zwischen beiden Antennen entsteht damit eine Spannung von sieben Billionen Volt! Völlig kostenlos und natürlich. Keinerlei Umweltbelastung. Was man hier macht, ist die Ausnutzung von kosmischer Strahlung, die unablässig auf die Erde herunterfällt.“
Die Königs- und Königinnenkammern sind in Wirklichkeit nichts anderes als Kondensatorräume und die mysteriöse große Galerie bietet Platz für den Verbraucher.
„Ich verstehe kein Wort, Schatz. Sei mir nicht böse…“
„Wieso nicht, ist doch einfach! Wenn die von den Kondensatoren ankommenden Kupferkabel an einen elektrischen Abnehmer angeschlossen werden, fließt Strom. Künstlich erzeugter Strom – und das vor fünftausend Jahren! Die Pyramiden waren keine Grabstätten, Julie. Sie sind gigantische Stromkraftwerke .“
Wie auch immer, diese Leute zeigten mir Dinge, die so überzeugend waren, dass ich meinen angeborenen Zweifel für eine Weile in Urlaub schickte und mich ihnen ergab.
Zurück zur Historie der Aobaynam.
Nachdem sie von ihrem Demiurg alles gelernt hatten was sie wissen mussten, bat er sie, die besagte Pyramide in Gizeh zu bauen. Als Ort wählte er bewusst das genaue Zentrum der Festlandmasse der Erde aus. Bis dahin wussten die Aobaynam aber noch nichts von einem Kraftwerk . Das fanden sie erst viel später raus. Zunächst glaubten sie, es handle sich um so etwas wie die letzte Ruhestätte ihres Meisters. In der Gestaltung sollte das Bauwerk einer Spitze gleichen, so die Auflage. Einer Spitze, die den Lehrmeister als 'das strahlende Licht' darstellen würde. Die Krönung aller Lebewesen dieses Planeten, sozusagen.
„Ich hab in der Kammer die Baupläne gesehen! Die genauen Baupläne, kannst du dir das vorstellen?“, plage ich Julie.
Um meine Begeisterung zu verstehen, muss man wissen, dass über den rätselhaften Bau der Pyramiden bis heute keine Schriftstücke, Artefakte oder bildliche Darstellungen aufgetaucht sind. Ansonsten haben uns die Ägypter - die alle für die Erbauer halten - alles über ihr Leben hinterlassen. Wie sie Landwirtschaft betrieben, wie Kinder geboren wurden, wie Stoffe gewebt und Opfer gebracht wurden. Aber nicht das geringste über den Bau der Pyramiden. Aber ich hab diese Pläne heute in meinen Händen gehalten. Wahnsinn!
Nun…, als dann zweieinhalbmillionen unglaublich präzise zusammengefügte Kalksteinblöcke, jeder mit einem Gewicht von bis zu zehn Tonnen, übereinander gesetzt waren - damit könnte man ein Gebäude bauen, dass fünfunddreißig mal so hoch ist, wie das Empire State Building – sollte das Bauwerk natürlich mit einer prächtigen Feier eingeweiht werden. Doch der Ehrengast, ihr Demiurg, war unvermittelt verschwunden. Absent! Ist nie wieder aufgetaucht.
Seitdem ist die Allegorie der Aobaynam eine Pyramide mit dem darüber schwebendem Auge des strahlenden Lichts .
Die Fackel des Lebens.
Auf jeden Fall fiel die große Feier ins Wasser und die Aobaynam begaben sich verzweifelt und orientierungslos auf die Suche nach ihrem Meister.
Denn es gab da eine bedeutende Sache, die er ihnen noch nicht gelehrt hatte:
Das Geheimnis des Lebens
„Wir haben buchstäblich Berge versetzt…“, schilderte mir de Noirbouclier. „…und sind bis in die letzten Winkel der Erde vorgedrungen. Wir haben sämtliche Ressourcen dieses Planeten geopfert – aber wir konnten das Geheimnis nicht entdecken!“
Im Laufe der folgenden Jahrtausende gab man diesem verzweifelten Vorhaben auch die Bezeichnung Suche nach dem Heiligen Gral. Es ging und geht, nach wie vor, schlicht und ergreifend um nichts anderes, als um die Suche nach dem Sein .
To ti ên einai!
Um an das ersehnte, letzte Geheimnis zu gelangen, haben sie verständlicherweise als erstes die Pyramide selbst untersucht. Immerhin geschah in diesem epochalen Denkmal etwas sehr wundersames – wie durch Geisterhand wurden seltsame
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