Nichts
erkennen, wie klein und unbedeutend wir doch sind. Belanglos. Irrelevant.
Während ich mit einem letzten Zug die kleine Flasche leere, muss ich an eine süße Geschichte denken, die mir mein Vater einmal erzählt hat, und die mich seinerzeit schwer beeindruckte.
Weißt du, sagte er damals, dass egal wo immer sich eine Nation auch befinden mag, sie ernsthaft daran glaubt, sie sei das Zentrum unserer Welt? Vielleicht ist genau dies das Problem.
Als ich um eine Erklärung bat, gab er mir folgende.
Du wirst feststellen das, je nachdem in welchem Land du dich gerade aufhältst, sich die Atlanten verändern. Es ist nämlich beileibe nicht so, dass es einen genormten Weltatlas gäbe. Würden wir zum Beispiel in Europa leben, dann wäre die Mitte der Weltkarte stets Europa. In China vermutet man das Zentrum der Welt in… China, richtig. Er nahm ein dickes Buch aus seinem Bücherregal und schlug es auf. Hier, der Mittelpunkt unserer amerikanischen Weltkarte ist… Amerika, fand ich staunend heraus. Später dann wurde mir seine Beobachtung noch deutlicher. Als man begann, im Internet diese sattelitengestützten Weltkarten zu veröffentlichen, erkannte die Software automatisch die Location des jeweiligen Internetusers und platzierte den Mittelpunkt der Welt automatisch an seinen persönlichen Wohnort. Welch kolossaler Fehler.
Darauf muss ich einen trinken.
Ich gehe zurück ins Zimmer, öffne die kleine Kneipe und schnappe mir zwei weitere Flaschen. Zuhause ist alles soweit okay, hat mir Julie vorhin bestätigt. Also kann ich mich entspannen. Endlich entspannen. Und Gevatter - ich schaue kurz aufs Etikett, während ich die zweite Flasche öffne - Gevatter Johnny Walker wird mir dabei Gesellschaft leisten. Werfe die Kühlschranktür zu, womit das Zimmer erneut in völlige Dunkelheit versinkt.
Das Licht lasse ich besser aus. Wer weiß, ob man mich beobachtet. Rechne mit allem. So bin ich halt. Lege meine Kleidung ab und selbige aufs Sofa. Ein angenehmes kribbeln im Kopf begleitet mich auf dem Weg ins Bett. Spüre den flauschigen Teppich zwischen den Zehen und entledige mich mit einem gekonnten Wurf in Richtung Papierkorb der zweiten Flasche. Vorbei. Egal! Drehe die dritte Flasche auf und leere sie mit einem einzigen Zug. Erneut stelle ich meine Treffsicherheit auf die Probe. Diesmal beschieße ich irgendetwas auf dem Schreibtisch. Gut. Bin betrunken.
Kann ins Bett!
Mo. 08. August 2016 08:00 Uhr
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Minus 010 Tage : 08 Stunden : 00 Minuten : 00 Sekunden
G eorge hat mich früh rausgeprügelt. Ein fehlender Terminplan hat uns draußen in der Wüste eigentlich erden lassen. Doch wie’s scheint, bin ich zurück im Wahnsinn.
Nachdem ich mit einer heißen Dusche meine Kopfschmerzen halbwegs in Griff bekommen konnte, sprach ich zunächst mit Julie. Das war gegen halb sieben. In ihrem Fall eine angemessene Zeit. Sie steht nämlich jeden Morgen – seit wir uns kennen – pünktlich um sechs auf. Braucht morgens ihre Ruhe, meint sie.
Sorry dass ich dich schon stören muss, begrüßte ich sie. Natürlich störte ich sie in keinster Weise. Wartete sie längst ungeduldig auf ein weiteres Zeichen von mir. Wie ich erfuhr und was mich, um ehrlich zu sein sehr beruhigte, wollte Pete Goldwater heute Nacht partout nicht im Haus schlafen. Julie, höflich wie sie ist, hatte ihm das mehrfach angeboten. Auf der Couch wäre genügend Platz, zeigte sie ihm. Stattdessen baute er mit wenigen Handgriffen sein Wald- und Wiesenzelt auf und machte es sich hinterm Haus bequem. Ich fang an, diesen Typ zu mögen.
Sein campen beeindruckte Stephan so sehr, dass er nun nicht mehr aufhört, Leann um ein eigenes Zelt zu bitten. Natürlich weiß der Junge nicht, was nachts da draußen so alles kreucht und fleucht. Du doch auch nicht, sagte Julie zu mir, womit Sie absolut Recht hat. Will ich gar nicht wissen. Nicht umsonst habe ich jedes noch so kleine Loch, jede Ritze oder Fuge an unserem Häuschen penibel abgedichtet. Und tatsächlich; mitten in der Natur haben wir - immerhin seit das Haus steht - nicht eine einzige Spinne oder ähnliches Krabbelgetier als Gast gehabt. So muss es sein!
Aber in einem Zelt! Ich weiß nicht? Vielleicht würde das Stephan sogar gut tun, merkte meine Süße an. Womöglich hat sie ja Recht. Er wird vermutlich nie wieder die Möglichkeit haben, in einer Stadt zu leben. Also sollte er sich an die
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