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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Schmalzeimer und ein paar Säcke», sagte seine Schwester.
    «Ach, Littless … Du vergißt doch nicht, auf die Toilette zu gehen, nein?»
    «Natürlich nicht.»
    «Du, das ist wichtig.»
    «Weiß ich doch. Vergiß du’s auch nicht.»
    «Bestimmt nicht.»
    Nick ging in den Hochwald hinauf und vergrub zwischen den Wurzeln einer mächtigen Hemlocktanne in dem von dürren Nadeln bedeckten Boden seinen Munitionsvorrat: einen Karton mit . 22 long-rifle -Patronen und ein paar Schachteln . 22 shorts. Er deckte die Stelle wieder mit den gepreßten Nadeln ab, die er mit dem Messer ausgestochen hatte, und brachte so hoch wie möglich einen Einschnitt in der starken Borke des Stammes an. Dann prägte er sich den Standort des Baumes ein und ging den Hang hinunter zum Unterschlupf zurück.
    Es war ein herrlicher Morgen. Der Himmel war hoch und klar und blau und noch wolkenlos. Nick war froh, mit seiner Schwester zusammen zu sein, und er dachte, wie immer diese Sache auch ausgehen mag – einstweilen wollen wir’s uns hier mal so richtig gut gehen lassen. Er hatte schon gelernt, daß man immer nur einen Tag auf einmal zur Verfügung hat, nämlich den Tag, den man gerade erlebt. Der heutige Tag würde bis zum Abend dauern, und morgen würde dann wieder ein neues Heute sein. Das war das Wichtigste, was er bisher gelernt hatte.
    Heute war ein guter Tag, und wie er so mit seinem Gewehr dem Lagerplatz entgegenschritt, fühlte er sich glücklich, wenn sich auch der Gedanke an die Schwierigkeiten, in denen sie steckten, hin und wieder meldete wie ein Angelhaken in der Hosentasche, der einen beim Gehen immer mal wieder piekt. Das Bündel konnte im Unterschlupf bleiben; es war sehr unwahrscheinlich, daß sich ein Bär tagsüber die Mühe machen würde, hier herumzustöbern, denn alle Bären waren jetzt sicherlich unten am Sumpf, wo es Beeren gab. Nur die Whiskeyflasche vergrub Nick hinter der Quelle. Littless war noch nicht zurück, und er setzte sich auf den umgestürzten Stamm, der ihnen Brennholz lieferte, und überprüfte sein Gewehr. Da sie Rebhühner schießen wollten, nahm er das Magazin heraus, ließ die long-rifle -Patronen in seine Hand fallen, tat sie in einen Ziegenlederbeutel und lud das Magazin mit . 22 shorts – die machten weniger Lärm und zerfetzten nicht gleich den ganzen Vogel, falls es einmal nicht möglich war, einen Kopfschuß anzubringen.
    Dann war er fertig und wäre gern aufgebrochen. Wo das Mädchen bloß steckt, dachte er. Dann dachte er, reg dich nicht auf; du hast ihr ja gesagt, sie soll sich Zeit lassen. Nicht nervös werden … Aber er war nervös, und er ärgerte sich deswegen über sich selbst.
    «So, da bin ich», sagte seine Schwester. «Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat. Ich bin ein bißchen weit gegangen, glaube ich.»
    «Schon in Ordnung», sagte Nick. «Also, gehn wir. Hast du die Eimer?»
    «Hmhm. Und was zum Drüberdecken.»
    Sie gingen quer über den Hang zum Bach hinunter. Nick schaute sich gründlich um, erst bachaufwärts, dann am Gegenhang. Seine Schwester beobachtete ihn. Sie hatte die Eimer in einen der Säcke gesteckt und trug sie in dem anderen über der Schulter.
    «Nimmst du keine Angelrute mit, Nickie?»
    «Nein. Wenn wir angeln, schneid ich mir eine.»
    Er ging vor seiner Schwester her, das Gewehr in der Hand. Er hielt ein wenig Abstand vom Ufer. Jetzt jagte er.
    «Das ist ein seltsamer Bach», sagte seine Schwester.
    «Es ist der stärkste kleine Wasserlauf, den ich je gesehen habe», erklärte Nick.
    «Er ist tief für so einen kleinen Bach. Richtig unheimlich.»
    «Er bekommt überall neues Quellwasser», sagte Nick. «Er unterspült die Ufer – ganz tief. Und das Wasser ist furchtbar kalt, Littless. Faß mal rein.»
    «Mensch!» sagte sie. Es war eisig.
    «Die Sonne erwärmt’s ein bißchen», sagte Nick, «aber nicht viel … Wir pirschen langsam weiter. Da unten ist eine Stelle, da wachsen Beeren.»
    Sie folgten dem Lauf des Baches. Nick behielt die Ufer scharf im Auge. Er hatte eine Nerzfährte entdeckt und sie seiner Schwester gezeigt; sie hatten winzige Goldhähnchen mit rubinroten Federkronen gesehen, die rasch und geschickt zwischen den Kiefernzweigen flatterten, Insekten jagten und den Jungen und das Mädchen nahe herankommen ließen, und Kiefernseidenschwänze mit dem zauberhaften, wachsartigen Schimmer auf Schwung-und Schwanzfedern, die sich ruhig und sanft und distinguiert bewegten, ganz Grazie und Eleganz. «Das sind die allerschönsten, Nickie», hatte

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