Nick aus der Flasche
Joshs Nähe wie die Wilden aufführten. Der Kerl sah gut aus, na und? Aber sonst hatte der nichts zu bieten.
Frustriert setzte er sich auf einen umgefallenen Baumstamm und zupfte auf der Gitarre herum, bis jede Seite gestimmt war. Die Handgriffe fielen ihm so leicht, als hätte er nie aufgehört zu spielen. Er begann eine vertraute Melodie, danach versuchte er sich an einem Song der Beatles. Zuerst summte er mit, dann sang er leise. Dabei dachte er an Emma, ihre gemeinsame Zeit sowie die Gefühle, die er für sie empfunden hatte, und legte all die Emotionen in den Song. Er war ihr so dankbar für die Gitarre, obwohl die Erinnerungen schmerzten. Doch er musste nach vorne sehen und mit der Vergangenheit abschließen.
Als das Lied endete und er aus seiner Trance auftauchte, klatschte es plötzlich Beifall.
Nick hob den Kopf. Um ihn herum hatten sich zahlreiche Schüler versammelt, davon besonders viele Mädchen, während die jungen Männer etwas Abstand hielten und mit verschränkten Armen an Bäumen lehnten.
Er entdeckte Julie unter ihnen, und ihre Augen leuchteten. Nick hörte, wie die anderen sie erneut über ihn ausfragten. »Der ist so süß, Julie. Kommt er wirklich zu uns in die Schule? Und er ist im Heim aufgewachsen? Das tut mir so leid für ihn.«
Sein Gesicht erhitzte sich. Es freute ihn, dass die Mädchen ihn attraktiv fanden und er einen Mitleidsbonus hatte, zumal das Josh nicht zu gefallen schien. Der schaute düster zu ihm her.
»Er sieht wirklich gut aus«, murmelte zu allem Überfluss Martin, der sich neben Julie befand. »Und toll singen kann er auch noch.«
Hastig wandte Nick den Blick ab. Stand Martin etwa auf Männer? Das beruhigte ihn, denn dann war Julie wenigstens vor einem Kerl sicher.
Sicher – was dachte er sich? Sie konnte doch lieben, wen sie wollte!
Nein, nicht Josh, diesen Macker. Der bohrte jede an!
Schon wieder schaute sie sich zu diesem Trottel um, daher begann Nick gleich noch ein Lied zu spielen.
Kaum hatte er geendet, rief Josh: »So, dann lasst uns jetzt mal richtige Mucke machen!«, und schlagartig erklang wieder diese nervtötende Musik aus irgendeinem Abspielgerät.
Die Gruppe löste sich auf und einige Schüler fingen an, auf diese harte Musik zu tanzen. Auch Julie war unter ihnen.
Sie hatte Spaß, alles war gut.
Nick blieb weiterhin sitzen und zupfte gedankenverloren an den Saiten, als sich Martin neben ihn setzte. »Du magst Jul, hm?«
»Natürlich mag ich sie. Ist ein nettes Mädchen.«
»Ich meine, du magst sie schon etwas mehr.« Intensiv starrte Martin ihn an.
Er schluckte. »Wieso denkst du das?«
»Deine Blicke hätten Josh getötet, wenn sie es könnten.«
»Josh ist ein Trottel«, murmelte Nick. Er musste aufpassen, nicht nur was das Zaubern betraf. Hatte er seine Verachtung tatsächlich so offensichtlich zur Schau gestellt? »Wie lange kennst du Julie schon?«
»Beinahe mein ganzes Leben.«
Dann wussten die beiden wohl alles voneinander. Nick wünschte, er wäre an Martins Stelle. Oder vielleicht auch nicht? »Und du machst dir wohl nicht so viel aus Mädchen, oder?«
Martins Lächeln erstarb. »Hat Jul dir das verraten?«
Kopfschüttelnd erwiderte er: »Ich hab auch Augen und Ohren im Kopf.«
»Scheiße, Mann, sag das bloß keinem, die bringen mich um.« Martin war ganz weiß im Gesicht. »Josh und sein Gefolge ziehen mich manchmal auf, sagen Homo und all so was.«
»Dann haben sie eine Vermutung?«
Martin stieß die Luft aus. »Ja, und daran bin ich selbst schuld. Ich passe einfach nicht gut genug auf und denke zu wenig beim Sprechen.«
»Und wieso himmelst du ihn dann an?«
Martin zuckte mit den Schultern. »Das tun einfach alle. Er ist der Star an unserer Schule und der beste Basketballspieler.«
»Spielst du auch?« Martin wirkte sportlich, zumindest war er schlank und bewegte sich geschmeidig.
»Kein Basketball, aber Lacrosse. Bin der Schnellste im Team, daher nennen mich manche
das Wiesel
. Ich glaube, daher akzeptieren sie mich weitgehend und halten mich für normal. Weil jemand, der so gut spielt, kann nicht schwul sein.«
»So ein Quatsch.«
»Du sagst es.« Martin grinste. »Ich mag dich, Nick. Du bist echt okay. Julie sollte auf
dich
stehen.«
Auf ihn? Unmöglich! Sie war seine Herrin, er war an sie gebunden. Eine Liebesbeziehung könnte ihr Verhältnis zerstören. Julie würde ihn weggeben, und das wollte er auf keinen Fall. So gut wie bei ihr würde es ihm sicher nirgendwo gehen.
Plötzlich wirkte Martin alarmiert und
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