Nick Perfect – Bruder per Post
ihr durchdrehen, weil ihr auf einmal dachtet, dass die Dinge vielleicht gar nicht so sind, wie sie aussehen, und wir höchstwahrscheinlich in einer völlig irren und grotesken Welt leben, in der die Leute nur so tun, als sei es eine normale Welt– ihr aber endlich entdeckt habt, wie irre und grotesk sie eigentlich ist? So was in der Art jedenfalls! Na ja, während ich den Pantomimen und den Typen mit der Kamera beobachtete, bekam ich genau diesen Eindruck: dass die Dinge eigentlich nicht so waren, wie sie nach außen schienen. Aber bevor es zu dem Gefühl wurde, als würde man gleich durchdrehen, fuhr der Bus vor. Annie, Nick und ich kletterten an Bord und ließen den Pantomimen und den Kerl mit der Kamera zurück.
Furchtbar, Mann, ein Pantomime am frühen Morgen! Am liebsten hätte ich mich noch mal ins Bett gelegt, um noch mal aufzuwachen und von vorn anzufangen.
•••
In der Schule mussten Dennis, Annie und ich uns vor Nicks Schließfach aufstellen, damit er nicht wieder reinschlüpfen konnte. Es klappte, und Nick und ich schafften es, gerade rechtzeitig zum Klingelzeichen im Klassenzimmer zu sein.
In der ersten Stunde hören wir uns meistens alle möglichen Ankündigungen von Rektor Jackson an und holen Hausaufgaben nach, die wir vergessen haben. Aber als Miss Purcell Nick der Klasse vorstellte und sagte, er sei aus Frankreich, forderte ein doofes Mädchen namens Wendy Callahan ihn auf, doch mal was aufFranzösisch zu sagen.
» Souris qui n’a qu’un trou est bientôt prise,« sagte Nick. » Eine Maus, die nur ein einziges Mauseloch hat, wird rasch gefangen. Das ist in Frankreich ein bekanntes Sprichwort. Es bedeutet, man soll lieber auf Nummer sicher gehen.«
Ein paar Kids starten ihn so verblüfft an, als hätte Nick was auf Marsianisch gesagt und übersetzt.
Und dann bat ein dicker Junge namens Todd Grossman, Nick solle noch mehr auf Französisch sagen, und Nick war dazu bereit, und dann fragten auch andere nach französischen Wörtern und Sprichwörtern, und im Nu war die Stunde vorbei. Gut, dass ich schon alle Hausaufgaben fertig hatte. Es wäre in der Klasse zu laut gewesen, um irgendwas hinzukriegen.
Die Englischstunde verbrachte Nick damit, Mr Kellys Worte ins Französische zu übersetzen, als er über die sozialen Themen in Huckleberry Finn sprach und aus dem Buch vorlas. Angeber!
Am Schluss bedankte sich Mr Kelly bei Nick und tätschelte ihm den Kopf, als wolle er sagen: braves Hundchen! Das stank mir gewaltig. Mir tätscheln Lehrer nie den Kopf wie einem netten Haustier. Grrr.
In Geschichte verblüffte Nick die Klasse damit, dass er seinen Dateiordner über den Ersten Weltkrieg mündlich wiedergab. Das dauerte fast die ganze Stunde. » Wow, du bist ja gescheiter als unsere Lehrerin«!«, staunte ein Junge namens Denny Sackett. Mehrere andere nickten. Unsere Lehrerin, Miss Finkel, schaute ein bisschen unglücklich drein.
Als in der Computerstunde Jenny Hufflemans Computer zu spinnen anfing, reparierte ihn Nick. Er lieh sich vom Lehrer einen Schraubenzieher, nahm den PC auseinander, zog hier ein Schräubchen an, justierte dort Drähtchen, blies den Staub weg und voilà, es funktionierte wieder. Die Klasse applaudierte, und Jenny gab ihm ihre Telefonnummer und E-Mail-Adresse! » Ruf mich an, Nick«, sagte sie mit strahlendem Lächeln. Mann, mir hat noch nie ein Mädchen seine Telefonnummer und E-Mail-Adresse gegeben. Will ich auch gar nicht haben.
Zum Glück war dann Zeit zum Mittagessen. Dabei würde Nick wohl kaum Gelegenheit haben, sich zu produzieren.
Als Nick und ich auf dem Weg zur Schulmensa an seinem Schließfach vorbeikamen, machte er keinen Versuch, hineinzuklettern. Also fragte ich ihn, ob er jetzt über diese » Sache mit der Kiste« hinaus sei.
» Ben«, sagte er mit seiner ernsten Roboterstimme, » in der Computerstunde ist es mir gelungen, einen Grundriss unseres Schulgebäudes anzuschauen. Und mir wurde klar, dass das Gebäude im Wesentlichen eine große rechteckige Kiste ist, die mehrere kleinere Kisten umschließt, zum Beispiel Klassenzimmer, Schränke und Schließfächer. Ich befinde mich also in vielerlei Hinsicht den ganzen Schultag in einer Kiste– eigentlich in mehreren Kisten–, wenn ich sie auch mit meinen Klassenkameraden teilen muss. Das ist nicht ganz so optimal wie eine enge eigene Kiste, aber für den Moment muss es reichen.«
Na dann!
(Später wurde mir klar, dass Nick, der kleine Teufel, sich in den Zentralcomputer der New Yorker Schulbehörde
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