Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Alterung.
Mir blieb keine Zeit, meinen Kaffee auszutrinken. Der junge Mann kam, um mich hinunterzubegleiten. Bevor ich ging, unterschrieb ich im Vorzimmer für die
Schriftstücke: dreizehn Seiten mit Informationen, und ich mußte für jede einzelne unterschreiben. Zuletzt mußte ich für den Schnellhefter unterschreiben. Scheißbürokratie.
Ein Wagen stand für mich bereit. Ich stieg vorne ein.
Als Jugendlicher hatte ich Leuten nachgesehen, die sich chauffieren ließen, und mir gedacht: Was, zum Teufel, bilden die sich eigentlich ein? Ich erzählte meinem Fahrer lauter Scheiß und langweilte ihn vermutlich zu Tode; er hatte keine Lust, sich zu unterhalten, aber ich fühlte mich dadurch besser.
Auf dem Heliport Battersea stand mit langsam
laufendem Rotor ein ziviler Hubschrauber für mich bereit. Bevor ich an Bord ging, hatte ich noch etwas zu erledigen: Von einem Wandtelefon aus rief ich die Familie an, die ich für meine Legende brauchte: Leute, die sich für mich verbürgen würden, falls ich mal in der Klemme saß. Sie würden sich niemals für mich einsetzen, aber falls ich verhaftet wurde, konnte ich zur Polizei sagen: »Dort lebe ich – rufen Sie die Leute an, fragen Sie die Leute.«
Eine Männerstimme meldete sich.
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»James, hier ist Nick. Ich habe eben die Chance
bekommen, Freunde in den Staaten zu besuchen. Das kann ein bis zwei Wochen dauern. Sollte es länger dauern, rufe ich wieder an.«
»Klar«, sagte James nur. »Bei den Wilmots nebenan ist vor zwei Tagen eingebrochen worden, und wir fahren über Ostern zu Bob nach Dorset.«
Solche Dinge mußte ich wissen, denn ich hätte sie gewußt, wenn ich ständig dort gelebt hätte. Die Familie schickte sogar jede Woche ihr Lokalblatt an meine Londoner Deckadresse.
»Also bis dann, Kumpel. Falls du deinen Sohn am
Wochenende siehst, kannst du ihm bestellen, daß er mir noch einen Abend schuldig ist.«
»Wird gemacht … Schönen Urlaub.«
Auf dem Tiefflug über die Irische See schlug ich den Schnellhefter auf und blätterte das Material durch. Diese Mühe hätte ich mir sparen können. Meine Auftraggeber wußten nur, daß die beiden Jungs Flugtickets nach Washington gekauft hatten, und wollten wissen, warum.
Sie wollten wissen, wen die beiden trafen und was dabei besprochen wurde. Aus Erfahrung wußte ich, daß das nur schiefgehen konnte. Wie sollte ich die Kerle beschatten, selbst wenn sie sich ans Drehbuch hielten und wirklich nach Washington flogen? Sie waren zu zweit, ich war allein; um etwaigen Verfolgern das Leben
schwerzumachen, würden die beiden sich irgendwann trennen. Aber was hätte ich sonst tun sollen? Die Firma saß am längeren Hebel, das stand fest.
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Wie aus einem der Schriftstücke hervorging, schien wieder mal die Jahreszeit gekommen zu sein, in der alle guten PIRA-Spendensammler auf Dinnerpartys in
Boston, New York und Washington unterwegs waren –
sogar bis hinunter nach Tucson, Arizona, um irisch-amerikanische Sympathisanten abzukassieren, die in der Sonne im Ruhestand lebten. Die Beschlagnahmung von zehn Tonnen Waffen und Sprengstoff in einem Londoner Lagerhaus im September 1996 hatte anscheinend eine Finanzkrise ausgelöst. Die PIRA war zwar noch nicht zu ihrer Bank gegangen, um einen Überziehungskredit zu beantragen, aber die Zunahme ihrer legalen
Sammeltätigkeit in Nordirland ließ darauf schließen, daß sie dringend Geld brauchte. Es gab allerdings auch diskretere Methoden, zusätzliche Mittel aufzutreiben.
Bestimmt hatten meine neuen Freunde damit zu tun.
Ansonsten war ich ziemlich ahnungslos, was diesen Job betraf. Ich besaß keine Informationen darüber, mit welcher Legende die Akteure reisten oder wohin sie in Washington oder Umgebung wollten. Ich wußte nur, wer sie waren und wie sie aussahen. Ich las, daß Michael Kerr im South Armagh Active Service Unit aktiv gewesen war. Er hatte an vier Granatwerferüberfällen auf
Stützpunkte der Special Forces teilgenommen und
Dutzende Male auf Sicherheitskräfte oder Protestanten geschossen. Einmal war er sogar verwundet worden, hatte aber in den Süden fliehen können. Ein harter Bursche.
Das galt auch für Morgan McGear. Nachdem der
einunddreißigjährige Maurer sich im Grenzgebiet von 42
South Armagh als Schütze bewährt hatte, war er ins PIRA-Sicherheitsteam aufgestiegen. Dort hatte er den Auftrag, Spitzel aufzuspüren und zu verhören. Seine bevorzugte Verhörmethode war eine Bohrmaschine der Marke Black & Decker.
2
Da der Hubschrauberdienst
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