Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
einzusetzen.
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Simmonds lächelte. Er wußte, daß er mich im Griff hatte.
»Nick, ich will’s Ihnen noch mal sagen. Ich brauche wirklich alle Disketten. Sie wissen, daß die Kleine entsetzlich leiden würde; das ist nichts, was wir gern täten, aber hier stehen wichtige Dinge auf dem Spiel.«
Eigentlich wünschte ich mir, die Verbindung mit Euan käme zustande. Ich wollte mit ihm reden, wollte von ihm bestätigt bekommen, daß Simmonds nur bluffte. Aber in meinem Innersten wußte ich, daß das nicht der Fall war.
Simmonds hatte die Nummer schon fast eingetippt.
Ich hatte keine andere Wahl. Ich mußte Kelly
schützen. Er durfte dieses Gespräch nicht führen.
Mein fast ansatzlos geschlagener rechter Haken traf seine Nase. Ich hörte das dumpfe Knacken, mit dem sein Nasenbein brach, und er klappte mit einem erstickten Aufschrei zusammen. Während er sich vor mir auf dem Boden wand, beförderte ich den Aktenkoffer mit einem Tritt unter einen Abschleppwagen. Im nächsten
Augenblick hob ich das Mobiltelefon mit der linken Hand auf, war mit einem großen Schritt hinter Simmonds und schob es unter sein Kinn. Dann packte ich das Gerät auf der anderen Seite mit der rechten Hand und drückte es mit aller Kraft gegen seinen Adamsapfel.
Ich blickte mich um. Wir waren hier viel zu gut zu sehen, und was ich vorhatte, würde einige Minuten dauern. Also schleifte ich ihn rückwärtsgehend zwischen zwei der geparkten Fahrzeuge. Dort ging ich hinter ihm auf die Knie und verstärkte den Druck gegen seinen Kehlkopf. Simmonds strampelte mit den Beinen, schlug 549
mit den Armen um sich und versuchte mir das Gesicht zu zerkratzen.
Sein Wimmern und Stöhnen erfüllte die Luft. Ich
reagierte darauf, indem ich mich nach vorn beugte und seinen Kopf mit meinem Oberkörper nach vorn drückte, bis sein Kinn fast auf seiner Brust lag. Gleichzeitig verstärkte ich den Druck weiter. Nur noch zwei Minuten, dann war es geschafft.
Nach dreißig Sekunden begann er, sich mit der
verzweifelten Kraft eines Mannes zu wehren, der
erkennt, daß sein Tod bevorsteht. Aber ich hatte ihn so fest im Griff, daß er sich nicht mehr befreien konnte, sosehr er sich auch anstrengte.
Seine Hände griffen immer wieder nach meinem
Gesicht. Ich bewegte ständig den Kopf, um ihnen
auszuweichen, ohne dabei den Druck auf seinen
Kehlkopf zu verringern. Die Narben des Zweikampfes mit McGear waren schon aufgekratzt, aber ich spürte kaum, daß ich blutete. Dann gelang es ihm, drei
Fingernägel in die Wunde unter meinem Auge zu bohren.
Ich mußte einen Aufschrei unterdrücken, als die
Fingernägel sich in meine empfindliche Gesichtshaut bohrten. Ich machte alles noch schlimmer, indem ich den Kopf in den Nacken warf; seine Fingernägel rissen große Hautfetzen ab.
Ob uns jemand sah, war mir jetzt gleichgültig. Darauf verschwendete ich längst keinen Gedanken mehr. Ich keuchte vor Anstrengung fast so laut wie Simmonds, und der Schweiß, der mir übers Gesicht lief, brannte in meinen Wunden.
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Dann wurden seine Bewegungen allmählich
schwächer, bis er nur noch krampfhaft mit den Beinen zuckte. Seine Hände sanken kraftlos herab. Sekunden später war er bewußtlos. Mir ging der Gedanke durch den Kopf, einfach aufzustehen und ihn so liegenzulassen, damit er mit seinem durch Sauerstoffmangel unheilbar geschädigten Gehirn weiterleben mußte. Aber davon kam ich wieder ab. Dieser Scheißkerl sollte sterben.
Ich wartete eine halbe Minute. Sein Brustkorb hob und senkte sich nicht mehr. Ich legte zwei Finger auf seine Halsschlagader und konnte keinen Puls mehr fühlen.
Ich schleppte ihn zwischen den Fahrzeugen hindurch und ließ ihn an ein Werkstattor gelehnt sitzen. Dann richtete ich mich auf und fing an, mich abzuklopfen. Ich steckte mein Hemd wieder in die Hose und wischte mir mit dem Ärmel Schweiß und Blut vom Gesicht. Dann
kontrollierte ich das Telefon. Ich wischte meine
Fingerabdrücke ab, ließ es zwischen den Fahrzeugen liegen und ging davon, ohne Simmonds noch eines
Blickes zu würdigen. Was kümmerte es mich, ob mich jemand gesehen hatte? Das spielte jetzt keine Rolle. Ich hatte wichtigere Sorgen.
Ich fuhr nach Westen und hielt meinen Jackenärmel unters Auge gedrückt, um die Blutung zu stoppen.
Die ganze Situation wirbelte weiter in meinem Kopf durcheinander, aber langsam ließen die einzelnen Teile des Puzzles sich zusammensetzen.
Zum Beispiel wußte ich jetzt, wie Luther & Co. mich aufgespürt hatten: Sie mußten Pat mit Gewalt
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