Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Schnellrestaurants. Das alles mußte ich ausblenden und mich auf den Anruf
konzentrieren, weil ich Kelly nicht auffordern durfte, lauter zu sprechen.
»Ja, natürlich hast du recht, ich lasse dich nie allein«, versicherte ich ihr. »Euan hat dich angelogen. Ich habe ein paar ziemlich schlimme Sachen über ihn rausgekriegt.
Bist du noch im Haus, Kelly?«
»Ja. Ich bin im Bett.«
»Schläft Euan noch?«
»Ich glaube schon. Willst du mit ihm reden?«
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»Nein, nein. Laß mich einen Augenblick nachdenken.«
Mein Verstand arbeitete auf Hochtouren, während ich überlegte, wie ich ausdrücken sollte, was ich zu sagen hatte.
»Natürlich komme ich und hole dich ab. Ich bin sogar sehr bald da. Paß jetzt bitte gut auf, Kelly: Du mußt etwas sehr Schwieriges und Gefährliches für mich tun.
Aber wenn du das geschafft hast, brauchst du nie wieder Angst zu haben.« Während ich das sagte, kam ich mir wie ein Schwein vor.
»Ich muß aber nicht von hier weglaufen?«
»Nein, nein, nein … so ist’s diesmal nicht. Aber es geht um den schwierigsten Auftrag, den man als Spion haben kann.« Kelly durfte nicht zum Nachdenken
kommen, deshalb sprach ich hastig weiter. »Aber als erstes möchte ich etwas überprüfen, okay? Du bist im Bett, stimmt’s? Zieh dir die Decke über den Kopf und sprich ganz leise, okay?«
Ich hörte das Rascheln, mit dem Kelly unter der
Bettdecke verschwand. »Was machen wir jetzt, Nick?«
»Als erstes drückst du auf irgendeine Zahlentaste des Telefons. Dann leuchtet es auf, und du siehst ein kleines Bild einer Batterie. Wie viele Blöcke sind in der Batterie zu sehen? Kannst du sie erkennen?«
Wieder undefinierbare Geräusche.
»Ja, ich sehe sie.«
»Wie viele Blöcke sind in der Batterie?«
»Drei. Ich sehe drei Blöcke. Einer davon blinkt.«
»Das ist gut.«
Aber das stimmte nicht wirklich. Zwei Blöcke
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bedeuteten, daß Kelly das Telefon nicht ins Ladegerät gestellt hatte, so daß der Akku nicht einmal halb geladen war. Aber ich würde lange mit ihr reden müssen, um ihr alles Schritt für Schritt zu erklären.
»Was ist das für ein Krach?« fragte sie.
Der Fernfahrer war jetzt echt sauer und brüllte ins Telefon; er regte sich so auf, daß die Scheiben seiner Zelle anzulaufen begannen.
»Der braucht dich nicht zu stören, Kelly. Ich erzähle dir jetzt, was du zu tun hast, aber du mußt mir dabei weiter am Telefon zuhören. Kannst du das?«
»Warum ist Euan böse, Nick? Was …?«
»Hör zu, Kelly, Euan will mir etwas tun. Erwischt er dich bei diesem Auftrag, tut er dir auch was. Verstehst du das?«
Ich hörte wieder ein Rascheln; sie steckte offenbar noch unter der Decke. »Ja«, antwortete sie leise.
Das klang ziemlich eingeschüchtert. Es hätte bestimmt eine bessere Methode gegeben, ihr das alles
beizubringen, aber ich hatte einfach nicht die Zeit, sie mir zu überlegen.
»Falls Euan aufwacht«, sagte ich, »oder falls das Telefon nicht mehr funktioniert, schleichst du dich ganz, ganz leise aus dem Haus. Ich möchte, daß du auf dem Weg zur Straße bis zu dem großen Tor gehst, durch das du mit Euan reingefahren bist. Du weißt, welches ich meine?«
»Yeah.«
»Dort bei den Bäumen mußt du dich verstecken, bis du hörst, daß ein Auto kommt und hält. Aber du darfst erst 557
aus deinem Versteck kommen, wenn es zweimal hupt.
Hast du verstanden? Den Wagen fahre ich. Er ist ein blauer Astra, okay?«
Eine kurze Pause. »Was ist ein As … Astra, Nick?«
Scheiße, sie war erst sieben und Amerikanerin. Was erwartete ich eigentlich von ihr?
»Okay, ich komme mit einem blauen Auto, halte dort am Tor und hole dich ab.«
Ich ließ sie diese Anweisungen wiederholen und fügte dann sicherheitshalber hinzu: »Wenn Euan aufwacht und dich sieht, rennst du so schnell du kannst zu den Bäumen und versteckst dich. Erwischt er dich nämlich dabei, daß du machst, was ich dir sage, sehen wir uns nie wieder.
Laß mich nicht im Stich, okay? Und denk daran, du bleibst unter den Bäumen versteckt, auch wenn Euan dich ruft, okay?«
»Okay. Aber du kommst und holst mich, ja?«
Das klang leicht zweifelnd.
»Natürlich komme ich dich holen! Hör zu, du stehst jetzt auf, legst das Telefon aufs Bett und ziehst dich an –
alles ganz langsam und leise. Zieh Jeans, ein Sweatshirt und deinen Mantel an.
Und du weißt, wo deine Sportschuhe sind? Die nimmst du auch mit, ziehst sie aber noch nicht an.«
Ich hörte, wie Kelly das Telefon weglegte und ihre Sachen
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