Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Hilfe, um aus dieser Scheiße rauszukommen, und ich brauche sie sofort.«
Am anderen Ende entstand eine Pause, als warte ein geduldiger Vater das Ende des Wutanfalls seines Kindes ab.
»Ihre Position ist ziemlich schwierig, fürchte ich«, sagte er dann. »Ich kann nichts für Sie tun, bevor Sie irgendeinen Beweis dafür beibringen, daß Sie nicht in diese Sache verwickelt sind. Ich schlage vor, daß Sie 144
herauszubekommen versuchen, was genau passiert ist.
Dann können wir darüber reden, und ich kann Ihnen vielleicht helfen. Was halten Sie von meinem Vorschlag?
Sie können auch Ihre Drohung wahrmachen, aber davon möchte ich Ihnen abraten.«
Ich spürte, wie meine Magennerven sich verkrampften.
Unabhängig davon, ob sie mir diesmal halfen oder es darauf ankommen ließen, ob ich nur geblufft hatte, würde ich den Rest meines Lebens auf der Flucht sein. Die Firma mag es nicht, erpreßt zu werden.
»Mir bleibt praktisch nichts anderes übrig, nicht wahr?«
»Ich freue mich, daß Sie das einsehen. Bringen Sie mir, was Sie finden.«
Am anderen Ende wurde aufgelegt.
Während mein Verstand auf Hochtouren arbeitete,
betrat ich das koreanische Geschäft. Ich kaufte ein Haartönungsmittel, das sich angeblich mit zwölf
Wäschen entfernen ließ, und einen Haarschneider.
Außerdem kaufte ich Toilettenartikel und Rasierzeug, weil wir in Washington nicht wie zwei Landstreicher herumlaufen durften. Dann füllte ich meinen
Einkaufskorb mit Coladosen aus dem Kühlschrank und legte Äpfel und Süßigkeiten dazu.
Ich konnte keinen Micky D’s finden und landete
schließlich in einem Burger King. Ich kaufte zwei Mega-Deals, mit denen ich ins Motel zurückging.
Ich klopfte an die Zimmertür, als ich sie aufsperrte.
»Rate mal, was ich mitgebracht habe? Hamburger,
Fritten, Apfelkuchen, heiße Schokolade …«
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An der Wand neben dem Fenster stand ein kleiner
Rundtisch. Die Tragetaschen flogen aufs Bett, und ich warf die Hamburger schwungvoll wie ein heimgekehrter Jäger auf den Tisch. Nachdem ich die Papiertüten
aufgerissen hatte, um ein Tischtuch zu haben, kippte ich die Fritten aus und riß die Saucen auf, bevor wir uns beide über das Essen hermachten. Kelly war anscheinend völlig ausgehungert.
Ich wartete, bis sie den Mund richtig voll hatte. »Hör zu, Kelly, du weißt doch, wie große Mädchen dauernd ihr Haar färben und daran herumschneiden und alles
mögliche damit anstellen? Ich dachte, du würdest es auch mal versuchen wollen.«
Kelly nahm meinen Vorschlag gleichmütig auf.
»Welche Farbe würde dir denn gefallen – ein schönes Dunkelbraun?«
Sie zuckte mit den Schultern.
Ich wollte das Ganze hinter mich bringen, bevor Kelly allzuviel von dem verstand, was wirklich vorging. Sobald sie ihren heißen Apfelkuchen aufgegessen hatte, führte ich sie ins Bad und ließ sie Bluse und Unterhemd
ausziehen. Ich prüfte die Wassertemperatur, ließ Kelly sich über die Wanne beugen, machte rasch ihr Haar naß, frottierte es trocken und bürstete es aus. Dann versuchte ich mein Glück mit dem Haarschneider. Nach einiger Zeit merkte ich, daß das Ding eigentlich ein
Bartschneider war, und bis ich begriffen hatte, wie man damit umging, sah ihre Frisur beschissen aus. Je länger ich diesen verunglückten Schnitt zu korrigieren
versuchte, desto kürzer wurde er. Kelly sah bald wie ein 146
Junge aus.
Während ich die Gebrauchsanleitung auf der Flasche mit dem Haartönungsmittel studierte, fragte sie: »Nick?«
Ich las noch immer die Gebrauchsanweisung, um
diesmal wirklich alles richtig zu machen.
»Was?«
»Kennst du die Männer, die dich verfolgt haben?«
Solche Fragen hätte ich stellen müssen.
»Nein, ich kenne sie nicht, Kelly, aber ich kriege raus, wer sie sind.« Ich dachte darüber nach und stellte die Flasche mit dem Haartönungsmittel beiseite. Ich stand hinter ihr, so daß unsere Blicke sich im
Badezimmerspiegel trafen. Ihre Augen waren jetzt nicht mehr so stark gerötet. Im Gegensatz zu ihren wirkten meine um so dunkler und müder. Ich erwiderte ihren Blick eine Zeitlang. Schließlich fragte ich: »Kelly, warum bist du in dein Versteck gegangen?«
Sie gab keine Antwort. Ihr Blick sagte mir, daß sie meine Fähigkeiten als Damenfriseur anzuzweifeln
begann.
»Hat Daddy ›Disneyland‹ gerufen?«
»Nein.«
»Warum hast du dich dann versteckt?« Diese Fragerei setzte mir so zu, daß ich Ablenkung brauchte. Ich schraubte die Flasche auf.
»Wegen des Lärms.«
Ich machte mich
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