Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Hosenbund. Natürlich würden morgen alle Zeitungen Kellys Photo bringen, aber falls die Sache kritisch wurde, waren wir wenigstens
fluchtbereit. Ich kannte meine Fluchtroute und würde nicht zögern, mir den Weg freizuschießen.
Ich holte meine neuen Kleidungsstücke aus der
Tragetasche und nahm sie mit ins Bad. Nachdem ich mich rasiert hatte, zog ich mich aus. Ich stank, denn Kevs Sachen waren innen voller Blut. Schweiß hatte es
verdünnt, so daß es sich über Rücken und Schultern seines Hemds und die Beine seiner Jeans ausgebreitet hatte. Ich stopfte alles in einen Plastikwäschesack, den ich morgen früh wegwerfen würde. Als nächstes nahm ich eine lange heiße Dusche und wusch mir die Haare.
Dann zog ich mich an, vergewisserte mich, daß die Tür abgesperrt war, und streckte mich neben Kelly aus.
Als ich gegen halb sechs Uhr aufwachte, hatte ich eine grausige Nacht hinter mir. Ich wußte nicht einmal sicher, ob ich all die furchtbaren Sachen nur geträumt hatte.
Ich dachte wieder über Geld nach. Meine Kreditkarten durfte ich auf keinen Fall benutzen, denn ich mußte annehmen, daß sie gesperrt waren oder dazu dienen konnten, uns aufzuspüren. Also konnte ich überall nur 151
bar zahlen – heutzutage in den USA gar nicht einfach.
Falls es mir gelang, Pat ausfindig zu machen, würde er mir mit Geld aushelfen, aber ich wußte, daß ich jede Gelegenheit würde nutzen müssen, um anderswo an Geld heranzukommen. Kelly schnarchte laut. Ich steckte unsere Schlüsselkarte ein, schloß leise die Tür hinter mir, überzeugte mich davon, daß das Schild am Türknopf hing, und machte mich auf die Suche nach einem
Feuerlöscher.
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Als ich an der offenen Tür der Besenkammer vorbeikam, sah ich in einem Regalfach ein halbes Dutzend
keilförmiger Türstopper liegen. Ich steckte zwei davon ein.
Einen Feuerlöscher fand ich an der Wand neben dem Aufzug. Ich schraubte rasch den Deckel ab und zog die Kohlensäurepatrone heraus – einen zwanzig Zentimeter langen schwarzen Stahlzylinder. Ich verstaute ihn in der Innentasche von Kevs Jacke und ging ins Zimmer
zurück.
Ich steckte die drei Reservemagazine für die Sig
Kaliber 45 in die linke Jackentasche und beschloß, die USP im Zimmer zu behalten. Ein gutes Versteck war der Spülkasten der Toilette. Eine Schußwaffe kann es
vertragen, für kurze Zeit im Wasser zu liegen. Ich wollte nur vermeiden, daß Kelly sie fand und anfing, sich selbst zu durchlöchern.
Ich döste noch etwas, schrak auf und döste erneut. Um sieben Uhr langweilte ich mich und hatte Hunger. Mit dem Zimmer hatte ich auch das Frühstück bezahlt, aber um es zu bekommen, würde ich zur Rezeption
hinuntergehen müssen.
Kelly fing an, sich zu bewegen. »Guten Morgen«,
sagte ich. »Möchtest du frühstücken?«
Sie gähnte herzhaft, setzte sich auf und sah wie eine Vogelscheuche aus, weil sie mit noch feuchtem Haar eingeschlafen war. Ich stellte sofort den Fernseher für sie an, weil ich nicht wußte, worüber ich mit ihr reden sollte.
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Sie blickte an sich hinab, als überlege sie, wie sie vollständig angezogen ins Bett gekommen war.
»Du bist eingeschlafen«, erklärte ich ihr lachend. »Ich habe dich gestern abend nicht mal mehr ausziehen
können. Hey, das ist wie ein Campingausflug, nicht wahr?«
Das gefiel ihr offenbar. »Yeah«, sagte sie lächelnd, noch immer verschlafen.
»Soll ich runtergehen und dir ein Frühstück holen?«
Sie nickte nicht mir, sondern dem Fernseher zu.
»Denk daran, so geht’s jedesmal: Du darfst auf keinen Fall die Tür öffnen. Wenn ich zurückkomme, sperre ich sie von außen auf. Du darfst nicht mal den Vorhang aufziehen, weil die Zimmermädchen sonst glauben, daß sie reinkommen können, aber wir wollen mit niemandem reden, nicht wahr? Ich lasse das Schild Bitte nicht stören draußen, okay?«
Sie nickte wieder, aber ich wußte nicht, wieviel sie davon verstanden hatte. Ich nahm das Tablett für den Eiskübel mit, setzte meine Brille auf und ging zur Rezeption hinunter.
Der Frühstücksbereich war schon gut besetzt: von
Leuten mit Wohnmobilen, die es zu unbequem fanden, in ihnen zu schlafen, und adretten, nach Rasierwasser duftenden Vertretern, die alle den Abschnitt »Gutes Aussehen zählt« ihres Handbuchs verinnerlicht hatten.
Das Frühstücksbüfett war auf zwei oder drei Tischen neben der Kaffeemaschine unter dem Fernseher
angerichtet. Ich nahm drei Tüten Cornflakes, Bagels, Muffins, ein paar Äpfel, zwei Tassen Kaffee und einen
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