Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
gefangengenommen oder
umgelegt werden.
Meine Augen sahen wahrscheinlich aus, als stünde ich unter Strom. Sie waren ständig in Bewegung, um meinem Gehirn möglichst viele Informationen zuzuführen. Ich wollte einen etwaigen Hinterhalt erkennen, bevor ich hineingeriet. Für mich gab es jetzt kein Zurück mehr.
Aber falls es zu einer Schießerei kam, wollte ich unbedingt als erster schießen.
Was war, wenn Kelly nicht mehr da war? Dann würde ich 911 wählen und behaupten, ich hätte das Mädchen aus den Fernsehnachrichten hier herumirren sehen. Falls sie nicht schon geschnappt worden war, würde die
Polizei sie hoffentlich finden, bevor Luthers Kumpel sie aufspürten. Das setzte natürlich voraus, daß Kelly noch in Freiheit war. Danach würde ich mich meiner Haut
wehren müssen, wenn die Jagd auf Nick Stone begann.
Wer Kelly hatte, würde auch meinen Namen erfahren.
Inzwischen war ich bis auf zwanzig Meter an die
Müllbehälter herangekommen, ohne mein gleichmäßiges Tempo zu verringern. Ich sah mich unterwegs nicht einmal um, weil das Zeit und Mühe gekostet hätte.
Dann erreichte ich die Müllbehälter und machte mich daran, die Pappkartons wegzuräumen. »Kelly, ich bin’s!
Kelly! Siehst du, ich hab’ dir gesagt, daß ich
zurückkommen würde.«
Die oberen Kartons waren klatschnaß und lösten sich 135
unter meinen Händen auf. Als ich die letzten beiseite räumte, zeigte sich, daß Kelly, die auf einem trockenen Stück Pappe saß, ihre Haltung in dieser langen Zeit praktisch nicht verändert hatte. Ich mußte unwillkürlich daran denken, wie sie ausgesehen hatte, als ich sie in ihrem Versteck in der Garage gefunden hatte. Aber immerhin wiegte sie sich nicht vor und zurück, hielt sich nicht die Ohren zu. Und sie war wider Erwarten nicht naß; vielleicht hatte der Schwarze Mann sie heimgesucht, aber der Regen war draußen geblieben.
Ich zog die Kleine hoch und legte ihr den neuen
Mantel um die Schultern. »Hoffentlich magst du Rosa«, sagte ich dabei. »Den habe ich auch für dich gekauft.«
Ich setzte ihr den Hut auf, damit sie keine nassen Haare bekam und dadurch noch mehr auskühlte.
Sie schlang ihre Arme um mich. Das hatte ich nicht erwartet, und ich wußte gar nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich redete einfach weiter mit ihr. Sie drückte mich noch fester an sich.
Ich zog ihren Hut zurecht. »So, jetzt hast du’s warm und gemütlich. Was hältst du davon, wenn wir losgehen und dir ein heißes Bad und etwas zu essen besorgen?«
Ich trug die Tüten im linken Arm, und Kelly hielt sich an meinem Ärmel fest, als wir davongingen. Das war etwas umständlich, aber ich mußte die rechte Hand frei haben, um meine Pistole ziehen zu können.
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Der Bus war ungefähr zur Hälfte mit Leuten besetzt, die volle Tragetüten bei sich hatten. Kelly hockte neben mir am Fenster. Ihr Samthut erwies sich als wirkungsvolle Verkleidung; er verbarg ihr daruntergestopftes Haar, und die breite Krempe verdeckte ihr Gesicht. Ich war mit mir zufrieden. Ich hatte sie vor Luther und seinen
Spießgesellen gerettet. Ich hatte das Richtige getan.
Wir waren unterwegs nach Alexandria, das meines
Wissens südlich von Washington, aber noch innerhalb der Ringautobahn lag, und wir fuhren dorthin, weil Alexandria als Fahrtziel des ersten Busses, der an der Haltestelle vorbeigekommen war, angegeben gewesen war.
Alle Fahrgäste waren mürrisch und naß, und die viele Feuchtigkeit schlug sich als Kondenswasser an den Busscheiben nieder. Ich lehnte mich über Kelly hinweg und wischte die Scheibe mit dem Ärmel ab, aber das half nicht viel. Ich sah wieder nach vorn, wo die
Scheibenwischer mit Höchstgeschwindigkeit arbeiteten.
Als erstes brauchten wir ein Hotel, und wir mußten innerhalb der nächsten ein bis zwei Stunden eines finden, denn je länger ich die Hotelsuche hinausschob, desto ungewöhnlicher würde sie wirken.
»Nick?«
Ich sah sie lieber nicht an, denn ich wußte genau, was sie fragen würde.
»Ja?«
»Warum sind diese Männer hinter dir her? Hast du
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etwas Unrechtes getan?«
Ich spürte, wie sie mich hinter ihrem Hut musterte.
»Ich weiß nicht mal, wer sie sind, Kelly. Ich habe keinen Schimmer.« Ohne den Blick von der
Windschutzscheibe zu nehmen, fragte ich: »Bist du hungrig?«
Aus dem Augenwinkel heraus sah ich sie nicken.
»Es dauert nicht mehr lange. Wohin willst du?
McDonald’s? Wendy’s?«
Sie nickte bei beiden, dann murmelte sie etwas
Unverständliches. Ich starrte
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