Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
wissen, wozu ich das ganze Zeug brauchte.
»Ich muß nur Pat helfen. Er hat mich gebeten, etwas für ihn zu erledigen. Wenn du willst, kannst du jetzt fernsehen. Bist du hungrig?«
»Nein.« Sie hatte recht; nach einer Pizza von der Größe einer Panzermine war das eine dämliche Frage.
Ich setzte mich mit der großen Küchenuhr mit dem
rotweißen Rahmen in meinen Sessel am Fenster. Dann fing ich an, den Rahmen Stück für Stück abzubrechen, bis ich nur noch das Zifferblatt mit den Zeigern und dem dahinter montierten Quarzuhrwerk auf den Knien liegen hatte. Als nächstes machte ich mich daran, das Zifferblatt aus Kunststoff in kleinen Stücken abzubrechen. Als es schließlich kaum noch größer als das Uhrwerk war, brach ich auch die Stunden- und Sekundenzeiger ab. Jetzt war 277
nur noch der Minutenzeiger übrig. Ins Uhrwerk setzte ich eine neue Batterie ein.
Kelly sah mir interessiert zu.
»Das ist ein Zauberkunststück. Ich zeig’s dir, sobald ich fertig bin, okay?«
»Gut.« Sie wandte sich dem Fernseher zu, behielt mich aber weiter im Auge.
Ich ging mit dem Eierkarton zum Papierkorb und
leerte seinen Inhalt aus. Dann riß ich ihn der Länge nach auseinander, so daß zwei Hälften mit je sechs
Einbuchtungen übrigblieben. Aus Klebeband formte ich eine kleine Röhre, die am Rand des halbierten
Eierkartons festgeklebt wurde und gerade groß genug war, um den Minutenzeiger aufzunehmen. Dann fragte ich Kelly, die den Titelsong einer Seifenoper mitsang:
»Willst du sehen, was man damit machen kann?«
Sie beobachtete gespannt, wie ich den halbierten
Eierkarton auf den Minutenzeiger steckte.
Das Sideboard befand sich knapp zehn Zentimeter
unter der Schalterleiste des Fernsehers. Ich legte das Uhrwerk genau unter den Infrarotsensor des Geräts und fixierte es dort mit Gewebeband.
Kelly verfolgte meine Vorbereitungen mit
wachsendem Interesse. »Was machst du da?«
»Hast du die Fernbedienung? Stell den Fernseher
damit etwas lauter.«
Sie tat, was ich sagte.
»Jetzt wieder leiser. Okay, ich wette mit dir, daß du ihn in einer Viertelstunde nicht mehr lauter stellen kannst.« Ich setzte mich neben sie aufs Bett. »Aber wir 278
müssen beide hier sitzen und dürfen uns nicht bewegen, okay?«
»Okay.« Sie glaubte offenbar, ich würde mich an der Fernbedienung zu schaffen machen, und versteckte sie lächelnd unter ihrem Kopfkissen.
Es wäre eigentlich ganz nett gewesen, in dieser
Ruhepause mit Kelly fernzusehen, wenn sie nicht
dauernd gefragt hätte. »Ist die Viertelstunde schon vorbei?«
»Nein, erst sieben Minuten.« Der auf den
Minutenzeiger gesteckte halbe Eierkarton befand sich inzwischen auf seinem Weg nach oben.
Sobald der Eierkarton den Sensor verdeckte, forderte ich Kelly auf: »Also los, versuch mal, den Ton lauter zu stellen.«
Sie drückte auf die entsprechende Taste, aber nichts passierte.
»Vielleicht liegt’s an der Batterie?« neckte ich sie.
Wir legten eine neue Batterie ein. Trotzdem
funktionierte die Fernbedienung nicht. Kelly kam nicht dahinter, woran es lag, und ich verriet ihr meinen Trick nicht.
»Zauberei!« behauptete ich grinsend.
Ich sortierte meine restlichen Einkäufe, trank einen Teil des Orangensafts, spülte die Plastikflasche aus und kontrollierte dann, daß die Geräte frische Batterien enthielten, bevor ich alles bereitlegte, was ich einpacken wollte.
Es war 22 Uhr 20, und Kelly schlief bereits. Ich würde 279
sie wecken müssen, um ihr zu sagen, daß ich weggehen würde, denn ich wollte nicht, daß sie allein aufwachte und in Panik geriet. Manchmal war sie einfach nur lästig, aber ich empfand das starke Bedürfnis, sie zu beschützen.
Sie sah so unschuldig aus, wenn sie wieder einmal Seestern spielte. Ich fragte mich, was später aus ihr werden würde – falls sie aus dieser Sache heil
herauskam.
Ich kontrollierte alles noch einmal, zog das
Mobiltelefon aus dem Ladegerät, steckte es ein,
überprüfte meine Pistole und sah nach, ob ich meine Geldbörse eingesteckt hatte. Als Marschverpflegung nahm ich eine halbleere Packung Kekse mit. Dann beugte ich mich über die Schlafende und sagte leise: »Kelly!«
Da sie nicht reagierte, rüttelte ich sie sanft wach. »Ich lasse den Fernseher leise angestellt, damit du
Unterhaltung hast, falls du willst«, sagte ich. »Ich muß nur noch mal für einige Zeit weg.«
»Yeah.«
Ich wußte nicht, ob sie tatsächlich alles verstanden hatte, aber ich wollte sie lieber nicht ganz wecken.
»Diesmal
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