Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
ist. Versprichst du mir, alles zu tun, was ich dir sage?«
»Ehrenwort! Darf ich Pocahontas auch mitnehmen?«
»Klar.«
Tatsächlich war mir das scheißegal; ich hätte zu allem ja und amen gesagt, solange sie mir Kevs Versteck zeigte.
»Fertig? Komm, setz deine Kapuze auf.« Unter dem wolkenverhangenen Himmel war es schon dunkel, und die Straße war zum Glück nicht besonders gut für Fußgänger ausgebaut. Wir mußten also nicht damit rechnen, unterwegs Melissa oder anderen Freundinnen von Kelly zu begegnen.
Ich hängte mir meine Tasche über die Schulter, nahm Kelly an der Hand und ging mit ihr los. Inzwischen war es kurz vor neunzehn Uhr, und die Straßenlampen brannten schon. Ich hatte vor, auf Umwegen zur Rückseite des Hauses zu gelangen, um es aus einiger Entfernung beobachten und mir in Ruhe überlegen zu
können, wie man am besten hineinkam.
Wir begannen das Baugelände in der Nähe der Rückseite des Hauses zu überqueren - vorbei an Chemietoiletten und Stapeln von Eisenträgern und Baumaterial. An manchen Stellen war der Schlamm so zäh, daß ich fürchtete, unsere Schuhe könnten darin steckenbleiben.
Kelly war vor Aufregung fast außer sich, obwohl sie tapfer versuchte, sich zu beherrschen. »Dort drüben wohnt meine Freundin Candice!« Sie zeigte auf eines der Häuser. »Ich habe ihr beim letzten Hausflohmarkt geholfen. Wir haben zwanzig Dollar bekommen.«
»Pssst!« sagte ich lächelnd. »Wir müssen jetzt ganz leise sein, sonst hören uns die Polizisten.« Kelly brauchte nicht lange, um das zu kapieren.
Schließlich standen wir im Schatten der Garage des benachbarten Hauses. Ich stellte die Reisetasche ab, um zu horchen und zu beobachten. Der Motor des Streifenwagens lief im Leerlauf. Die beiden Beamten waren keine zwanzig Meter von hier entfernt auf der anderen Seite des Zielobjekts postiert. Ich hörte mehrmals Funkverkehr, konnte aber nicht verstehen, was gesprochen wurde. Ab und zu kam ein Auto vorbei, bremste wegen der Stolperschwellen, ratterte darüber und beschleunigte dann wieder.
Auf der Rückseite von Kevs Haus gab es keinen mit Scheinwerfern gekoppelten Bewegungsmelder, sondern nur zwei Lampen, die sich mit zwei Lichtschaltern neben der Verandatür ein- und ausschalten ließen. Ich erinnerte mich daran, sie einmal beim Grillen angeknipst zu haben.
Ich bückte mich, zog langsam und lautlos den Reißverschluß der Tasche auf und nahm heraus, was ich brauchen würde. Dann brachte ich meinen Mund dicht an Kellys Ohr unter der Kapuze und flüsterte: »Du bleibst vorläufig hier, ja? Du mußt unsere Tasche gut bewachen. Mich siehst du dort drüben, okay?«
Sie nickte. Ich zog los.
Ich erreichte die zweiflüglige Verandatür. Alles der Reihe nach: erst feststellen, ob sie wirklich abgeschlossen war. Das war sie. Als nächstes hätte ich mich normalerweise nach einem Zweitschlüssel umgesehen - wozu sich mit Dietrichen abmühen, wenn vielleicht irgendwo ganz in der Nähe einer versteckt ist? Aber das hier war Kevs Haus; hier lag bestimmt kein Zweitschlüssel herum. Ich zog mir das riesige schwarze Tuch über Kopf und Schultern, nahm die Maglite zwischen die Zähne und machte mich mit dem Mehrzweckdietrich an die Arbeit. Sie dauerte nicht lange.
Ich öffnete lautlos die Verandatür, schob den Vorhang beiseite und konnte durch die Zwischentür ins Wohnzimmer sehen. Als erstes fiel mir auf, daß alle Jalousien heruntergelassen und alle Vorhänge zugezogen waren. Das war gut für uns, denn es bedeutete, daß wir Deckung finden würden, sobald wir drinnen waren. Als nächstes nahm ich einen fast umwerfend starken Chemikaliengeruch wahr.
Ich schlich zu Kelly zurück und flüsterte ihr zu: »Los, komm schon!«
Unsere Schuhe waren dick mit Schlamm bedeckt, deshalb zogen wir sie auf der Terrasse vor der Veranda aus und legten sie in die Reisetasche. Dann traten wir ein, und ich zog die Tür hinter uns zu.
Ich deckte die Streuscheibe meiner Maglite mit Zeige- und Mittelfinger ab, so daß nur ein schmaler Streifen Licht austrat, den ich auf den Boden richtete, damit wir uns im Wohnzimmer zurechtfanden. Die Möbel waren zur Seite gerückt worden, damit der Teppichboden entfernt werden konnte; darunter waren jetzt die mit Nut und Feder verbundenen nackten Spanplatten der Unterkonstruktion sichtbar. Irgend jemand hatte alle von Kev stammenden Blutflecken gründlich entfernt, was den starken Chemikaliengeruch erklärte.
Wir erreichten die Tür zur Diele. Kelly, die jetzt Erfahrung mit solchen
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