Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
sich nicht blicken lassen. Ich merkte, dass Lynn noch immer auf eine Antwort wartete. »Nein, eigentlich nicht.«
Daraufhin folgte eine Pause, in der Lynn erneut zu Elizabeth hinübersah. Er brauchte anscheinend ihr Nicken, um
weitersprechen zu können; sie hatte offenbar genickt, denn er fuhr fort: »Sarah ist unser Verbindungsoffizier beim Zentrum für Terrorismusbekämpfung, einer neuen CIA-Abteilung, die vor möglichen Terroranschlägen warnen soll. Sie ist eine Art Clearingstelle, wenn Sie so wollen, für Meldungen über terroristische Aktivitäten in aller Welt. Das Problem ist folgendes: Wie Elizabeth schon gesagt hat, ist Sarah verschwunden – wir wissen, dass sie noch auf dem
amerikanischen Festland ist, aber nicht, wohin und weshalb sie sich abgesetzt hat. Wir fürchten, ihre Zuverlässigkeit und ihr Urteilsvermögen könnten, wie soll ich sagen, Anlass zu Zweifeln geben.«
Ich musste unwillkürlich grinsen. Das war ihre
Standardformel, die in Wirklichkeit besagte: »Verpiss dich!
Wir mögen dich nicht mehr. Du hast etwas angestellt und gehörst nicht mehr zu uns.«
Jetzt ergriff wieder Elizabeth das Wort. »Sagen wir einfach, 98
dass sie seit ihrer Versetzung nach Washington zu viele eigene Initiativen ergriffen hat.«
Ich grinste wieder, ohne Lynn dabei aus den Augen zu lassen. »Ah, ich verstehe … zu viele Initiativen.« Ich hasste es, wenn sie so um den heißen Brei herumschlichen. Warum erzählten sie nicht einfach, was zum Teufel passiert war und welchen Auftrag sie für mich hatten? Bevor ich eine klare Antwort bekam, wurden wir durch die Ankunft einiger
Pauschalreisender unterbrochen.
»Hey! Du bist nicht mehr im Urlaub – hilf mir also mit den Scheißkoffern!«
»Schon gut, reg dich wieder ab!«
Für uns entstand eine Pause, während wir zur Fahrerseite des Vans hinübersahen. Lynns Reaktion konnte ich nicht beobachten, aber Elizabeth war sichtlich angewidert. Draußen standen zwei junge Paare neben einem Ford Escort XR3i.
Während wir geschwafelt hatten, waren sie aufgekreuzt, hatten den Kofferraum geöffnet und luden nun Gepäck ein. Eines der Paare, beide Mitte zwanzig, war zum Flughafen gekommen, um das andere abzuholen. Die aus dem Urlaub kommende junge Frau trug sehr kurz abgeschnittene weiße Jeans, um uns zu zeigen, wie braun gebrannt sie war, aber der gewünschte Effekt wurde dadurch beeinträchtigt, dass sie eine Gänsehaut hatte, weil wir hier nicht auf Teneriffa, sondern in Gatwick waren. Nur für den Fall, dass jemand nicht mitbekam, dass sie im Ausland gewesen war, trug sie ihr blond gefärbtes Haar in Perlenzöpfchen, die sie sich irgendwo am Strand hatte flechten lassen.
Unser Mann auf dem Fahrersitz beobachtete die vier
ständig, ohne dabei seine Zeitung, die er bisher nicht 99
umgeblättert hatte, sinken zu lassen. Sein Stiernacken quoll noch mehr über den Hemdkragen hinaus, als er in seinen rechten Außenspiegel sah, um alles genau im Auge zu
behalten. Diese Jungs mussten Allrounder sein: offensive und defensive Fahrer, Leibwächter ihrer Chefs und gute
Witzerzähler, um sie zu unterhalten. Vielleicht arbeitete der Serbe deshalb für Elizabeth. Sie war zu humorlos, um Witze zu verstehen, und der Gesichtsausdruck, mit dem der Serbe der draußen geführten Unterhaltung zu folgen versuchte, ließ nicht gerade auf perfekte Englischkenntnisse schließen. Ich konnte nur hoffen, dass er sein Englisch nicht von diesen beiden auf den Rücksitzen lernte – sonst würden die Leute glauben, Prinz Charles sei unter die Bodybuilder gegangen.
Das Zwischenspiel war vorbei. Wir kehrten alle in unsere Ausgangspositionen zurück, und Elizabeth sprach weiter, obwohl dieser Anblick ihr offenbar körperliches Unbehagen bereitet hatte. Angehörige ihres Standes sahen das Auftreten solcher Leute als schlimme Störung ihres geordneten Daseins.
»Wir machen uns Sorgen wegen eines möglichen Konflikts mit der ethischen Seite ihrer Tätigkeit.«
Ich gab mir Mühe, nicht zu grinsen. »Ethik? Damit hat Sarah nichts am Hut. Ethik hat sie unter ›Dinge, über die ich mir Sorgen mache, wenn ich mal tot bin‹ eingeordnet.« Ich riskierte ein kleines Lachen, aber Elizabeth hatte meinen Scherz nicht verstanden oder fand ihn überhaupt nicht witzig.
Die Atmosphäre war so frostig, dass ich mich fragte, ob der Serbe die Klimaanlage verstellt hatte. Ich war dabei, mich langsam in diesem Van unmöglich zu machen.
Elizabeth fuhr fort, als hätte ich nichts gesagt. »Wir befürchten,
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