Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
wieder nach Essen. Links von uns war ein weiterer Aufzug zu sehen. »Das ist der Aufzug zum Speisezimmer.« Davy genoss seine Rolle als Fremdenführer sichtlich. »Der liegt direkt über uns im Erdgeschoss.« Links neben dem Aufzug befand sich eine Wendeltreppe.
Wir blieben in der Nähe des Aufzugs stehen. Davy grinste plötzlich breit. »Hey, Leute, ich muss euch die Brandspuren zeigen, die ihr Briten bei eurem letzten unangemeldeten Besuch hinterlassen habt!«
Ein tüchtig aussehender Schwarzer Mitte fünfzig, der zu schwarzer Hose und Weste ein blütenweißes Hemd mit schwarzer Fliege trug, kam mit einem Servierwagen auf uns zu. Der Wagen war mit Tassen und Untertassen, Kaffeekannen, Zuckerdosen, Sahnekännchen und Schalen mit
Keksen und Kuchen beladen. »Entschuldigen Sie, Gentlemen«, sagte der Mann. Als er dann Sarah sah, fügte er sehr höflich hinzu: »Und Sie, Ma’am.« Im Prinzip forderte er uns natürlich nur auf, ihm Platz zu machen, damit er den Servierwagen, auf dem das Geschirr leise klirrte, an uns vorbeischieben konnte. Er war ein Mann, der eine Mission zu erfüllen hatte.
Wir stiegen die Wendeltreppe hinunter, und Davy gab weiter seine Erklärungen. »Wir haben zwei weitere Aufzüge, hundertzweiunddreißig Zimmer und dreiunddreißig Toiletten.«
»Und sieben Treppenhäuser«, warf Josh ein.
Ich bemühte mich, anerkennend zu lächeln. Bei anderer Gelegenheit wäre das alles interessant gewesen, nur eben diesmal nicht.
Am Fuß der Treppe wurden wir von einer doppelten Brandschutztür aufgehalten, in die zwei rechteckige Streifen feuerfestes Drahtglas eingesetzt waren, die schmutzige Handabdrücke trugen, wo sie ständig aufgestoßen wurden. Darüber war als Türsturz eine massive Steinplatte in die Mauer eingelassen. Auf diesem Stein waren deutlich schwarze Brandspuren zu erkennen.
»Diese Spuren hier haben wir als kleine Erinnerung daran aufbewahrt, was passieren kann, wenn ihr Briten in die Stadt kommt. Allerdings seid ihr damals nicht lange geblieben - wir hatten schon lange genug von euch.«
Wir lachten wieder gemeinsam. Ich beobachtete, wie Sarah einen Blick auf ihre Armbanduhr warf.
»Die meisten Leute glauben, das Weiße Haus habe seinen Namen erhalten, nachdem ihr Briten es niedergebrannt hattet«, fuhr Davy fort. »Aber das stimmt nicht, denn so heißt es erst seit 1901, seit Präsident ...« Er wandte sich Hilfe suchend an
Josh.
»Roosevelt.« Josh zuckte fast verlegen mit den Schultern. »Hey, wer hier arbeitet, muss solche Dinge wissen.«
Wir wussten nicht recht, was wir zu diesem seltsamen Gedenkstein sagen sollten, und die Brandspuren kamen mir aufgefrischt vor. Nach ungefähr einer Minute schlug Davy vor: »Wie wär’s mit einem Abstecher auf die Bowlingbahn?«
27
Als wir durch die Brandschutztür weitergingen, betraten wir einen ungefähr dreißig Meter langen, weiß gestrichenen Korridor, von dem auf beiden Seiten weiße Türen in etwas tiefer in die Wände hineingesetzten Zargen wegführten. Hier wirkte alles sehr nüchtern und funktional. Erhellt wurde der Korridor durch ein Lichtband an der Decke, in das in regelmäßigen Abständen die kastenförmigen Leuchten einer Notbeleuchtung, die sich bei Brand oder Stromausfall automatisch einschaltete, eingelassen waren. Dieser Korridor, auf dem es nach Bohnerwachs und frischer Farbe roch, war menschenleer. Das Echo unserer auf den Fliesen quietschenden Schritte hallte von den Wänden wider.
Wir kamen an einem Stapel Pappkartons und prall gefüllten Müllsäcken vorbei. »Bei uns geht’s zu wie in jedem anderen Haus«, meinte Davy grinsend. »Der ganze Müll fliegt in den Keller.«
Nach einem halben Dutzend weißer Türen erreichten wir eine graue Stahltür, über der eine rote Leuchte langsam blinkte. Davy blieb davor stehen. »Mal sehen, wer gerade
Dienst hat.« Er führte seinen Dienstausweis durch das elektronische Schloss und sagte: »Willkommen in >Krise vier<.«
Er öffnete die Tür und ließ uns den Vortritt. Ich folgte Sarah in einen abgedunkelten Raum, in dem mindestens zwanzig Überwachungsbildschirme in Dreiergruppen in die Wand eingelassen waren. Jeder zeigte ein anderes farbiges Bild mit einer eingeblendeten Uhr in der rechten unteren Ecke. Die Kameras erfassten große, luxuriös eingerichtete Räume und endlos lange Korridore und Säulengänge. Vor dieser Bildschirmwand standen auf einer langen Konsole, die durch abgeschirmte Leuchten schwach erhellt wurde, Reihen von Telefonen und Mikrofonen zwischen
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